Predigt von Richard Baus zum 7. Ostersonntag, Lesejahr A

Apg 1,12-14

  
Liebe Schwestern und Brüder,

diese Lesung aus der Apostelgeschichte gehört zu meinen Lieblingserzählungen in der Heiligen Schrift. Denn die Bilder, die dort vorkommen, faszinieren mich immer wieder. Schauen wir noch mal hin!

Diese frühe Kirche, von der die Apostelgeschichte uns da erzählt, die steht ganz am Anfang. Ein paar Leute, denen der Herr bei seinem Abschied gesagt hat, sie sollen in alle Welt hinausgehen und die Menschen taufen und sie zu seinen Jüngern machen. So haben wir es an Christi Himmelfahrt gehört.

Sie sollen Zeuginnen und Zeugen dafür sein, dass Gott diese Welt liebt – bis in alle Ewigkeit hinein.
Ein Riesen-Auftrag – für ein paar Leute. Wie geht das? Können sie das überhaupt?

Genau das muss diese „junge Kirche“ erst einmal herausfinden.
Und damit das gelingt, tun diese Leute da in Jerusalem das einzig Richtige: Sie begeben sich „ins Obergemach“, und das heißt in ihren Gebetsraum.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

das ist für mich das erste Bild, das mich so anspricht – dieses Obergemach.
Ein besonderer Raum, in den man geht, um zu beten und um sich zu sammeln, damit man zu sich selbst – und damit zu Gott kommen kann.

Von Daniel wird im Alten Testament berichtet, dass er sich auch zum Gebet in sein Obergemach zurückzog. Ein Raum, der Fenster hatte, die nach Jerusalem hin offen waren. 
Ein Raum also – mit einer Ausrichtung auf Gott hin.

Und die Menschen, die sich in einem solchen Raum versammeln, die richten sich also ganz bewusst auf Gott hin aus.

Wir würden heute sagen: 
Diese Frauen und Männer gehen in Exerzitien; sie nehmen sich Zeit zum Gebet und zur Meditation, zur Kontemplation. Sie geben Gott Raum. Sie öffnen sich mit ihren Fragen dem Geist Gottes, damit sie nicht bei sich selbst und ihren eigenen Vorstellungen stecken bleiben, sondern damit ER sie erfüllt; damit ER ihnen sagen kann, was konkret ihr Auftrag ist.

Und nur so kann Pfingsten sich ereignen: Wenn Menschen sich so auf Gott hin ausrichten, so auf ihn hin offen sind, dass Gott sie beschenken kann.

Denn erst wenn das geschehen ist, erst wenn Gott sie beschenken konnte, erst dann können sie aufbrechen. 
Erst dann erst können sie handeln – in seinem Auftrag handeln.

 
Und das ist auch schon das zweite Bild, das mich so anspricht: Eine Kirche, die betet.

Eine Kirche, die nicht dauernd plant und managt, was sie noch tun kann oder muss. Eine Kirche, die nicht dauern neue Papiere erstellt und nicht pausenlos Konzepte rausgibt, sondern die vor allem betet.
Denn nur im Gebet wird sie entdecken, was ihr Auftrag ist.

Ich habe mal ein Gemälde gesehen, das diese Gruppe von Frauen und Männern zeigt. Sie sitzen still da – und  haben die Hände geöffnet. Sie halten ihre leeren Hände Gott hin, damit ER ihnen diese Hände füllen kann.
Und das Stärkste an diesem Bild ist Petrus: Und dieser Petrus hat die Schlüssel, die Zeichen seiner Macht, neben sich auf die Erde gelegt, damit auch er die Hände frei hat – frei für Gottes Willen.

Denn diesen „Willen“, den muss auch er sich erst einmal schenken lassen.

Eine Kirche, die betet. Eine Kirche, die nicht gleich losrennt, sondern die sich erst einmal die Zeit nimmt, damit sie sich von Gott sagen lassen kann, was sie tun soll.
Und die dann nicht irgendetwas „abarbeitet“, was man immer schon so gemacht hat, sondern die „aktuell“ ist, die weiß, was Gott HEUTE von ihr will – weil sie in Verbindung ist mit ihm.

   
Liebe Schwestern und Brüder,

ich denke, hier zeigt sich uns das Geheimnis der Kirche: Kirche ist nicht einfach da, 2000 Jahre lang unverändert, sondern Kirche muss sich immer wieder neu ereignen, damit sie lebendig bleibt und nicht nur noch Institution ist mit Dogmen, Geboten und Gesetzen, die alles festschreiben und zementieren.

Nein, Kirche muss sich immer wieder neu aus der Hand Gottes heraus empfangen.
Kirche muss sich immer selbst von Gott her schenken lassen, denn ohne Gott läuft sie ganz schnell ins Leere und wird zum „Betrieb“, zur Verwaltung – aber dann ist sie nicht lebendiger Leib Christi.

Und deshalb braucht sie die Ausrichtung auf den Herrn hin – und offenen Fenster, damit der Herr sie auch erreichen kann.

Und was für die Kirche und ihre Gemeinden gilt, das gilt auch für jede einzelne Christin, jeden einzelnen Christen:

Wer sich nicht hin und wieder in sein „Obergemach“ zurückzieht, 
wer sich nicht hin und wieder „nach oben“ öffnet, um sich beschenken und erfüllen zu lassen,
wer nicht hin und wieder alles aus den Händen legt, um sie auf Gott hin öffnen zu können, 
dessen Hände werden leer bleiben.

Und was er dann „mit leeren Händen“ tut, das wird vielleicht sehr aktiv sein, voller Aktionen und „Aktiönchen“, aber es könnte auch sehr gott-los sein ---
weil er halt irgendwann nur noch das tut, was er sich vorstellt – aber nicht mehr das, was Gott will.

Deshalb ist die Reihenfolge ist so wichtig: Zuerst beten und sich im Gebet beschenken lassen – und  dann handeln.
Deshalb lädt uns die Kirche in diesen Tagen vor Pfingsten besonders ein zum Gebet, damit wir uns öffnen können - um geistvoll und gotterfüllt Kirche zu sein.

Eine Kirche, die aber auch nach dem Gebet ihre gefalteten Hände auch wieder löst und anpackt, die handelt, hilft und heilt -- dann, wenn sie ihren Auftrag erkannt hat.

  
Liebe Schwestern und Brüder,

wir tun oft so, als läge die große Zeit der Kirche hinter uns. Als wäre alles Wichtige schon gewesen. Und wir müssten jetzt mit dem „Mangel“ irgendwie zurecht kommen.
Aber vielleicht stimmt das ja gar nicht, sondern vielleicht liegt die große Zeit der Kirche - und auch unserer Gemeinschaft - ja noch vor uns – und wir können daran mitarbeiten.

Und damit wir das herauszufinden, sollten wir uns auch öfter mal in unser Obergemach zurückziehen und still werden.
Halt nicht nur verwalten, sondern auch beten. 

Sie sagen jetzt sicher: Das tun wir doch. Wir beten doch!
Aber vielleicht sind es zu viele Gebete, in denen wir Gott dauernd vorschreiben, was Er zu tun hat, damit es für uns schön ruhig weitergehen kann wie bisher.
Vielleicht brauchen wir ja andere Gebete. 

Gebete, die so sind, dass ER UNS erreichen kann -
Gebete, in denen wir es Gott möglich machen, dass ER uns das in unsere offenen Hände legen kann, was IHM wichtig ist.

Vielleicht ist es ja was ganz anderes als wir immer gemeint haben. Und was ganz anderes als wir immer geglaubt haben. 
Vielleicht ist es ja was ganz Neues. So neu und anders, dass es uns und unsere Kirche wieder beGEISTern kann.

Herausfinden können wir das nur, wenn wir Gott dazu die Gelegenheit geben – im Obergemach, im Gebet.

Und wenn wir dann tatsächlich auch bereit sind, das zu tun, was Gott uns ins Herz gegeben hat - auch wenn das so ganz anders ist als es bisher immer gewesen ist. 
So anders, dass wir uns drüber wundern müssen.

Aber da, wo wir uns nicht mehr wundern brauchen,
da geschehen ja sicher auch gar keine Wunder mehr.

 
Amen

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