Predigt von Richard Baus zum 10. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B

Mk 3,20-21.31-35

 
Eine spannungsgeladene Geschichte, die das Evangelium uns heute vorlegt. Da kommt die Familie Jesu angerückt, alle Mann mitsamt der Mutter, um Jesus mit Gewalt zurückzuholen; denn, so schreibt es der Evangelist, sie sind der festen Überzeugung: Er ist von Sinnen. Er ist verrückt geworden!

Nun, kein Wunder, dass sie zu dieser Überzeugung kommen. So wie Jesus lebt, so hat wohl in der ganzen Familie sonst noch keiner gelebt.
So wie er Massen anzieht, wie er mit Sündern umgeht, wie er Kranke heilt – und wie er von Gott redet, so hat das noch keiner in seiner Familie dort in Nazareth vor ihm getan. Und das soll nun aufhören. Denn die Familie weiß, das kann gefährlich werden für ihn. Was er da macht, das kann nicht gut gehen. Und so soll er wieder nach Hause kommen – und das tun, was er vorher gemacht hat: in der Schreinerei arbeiten. Als Zimmermann arbeiten. Nach dem Motto: Schuster bleib bei deinen Leisten.

Ja, sie glauben, er sei von Sinnen – und das heißt wohl: Sie verstehen ihn nicht mehr. Sie haben sich entfremdet.

Im letzten Teil dieser Geschichte malt uns der Evangelist eine typisch orientalische Familie. Eine Familie, die ihre Macht demonstriert. Und in der Tat, die Familie hat das Recht, über diesen Jesus zu verfügen. Der Älteste im Familienklan, der Chef der Familie, und die Mutter können über ihn bestimmen - solange er noch keine eigene Familie gegründet hat. Und das tun sie hier: Sie bleiben vor dem Haus stehen und lassen ihn herausrufen. Und als folgsames Familienmitglied müsste er gehorchen. So verlangt es die Ordnung, so schreibt es die Tradition vor.

Und dann passiert etwas ganz Unerwartetes: Jesus folgt nicht. Er steht nicht auf und er geht auch nicht aus dem Haus heraus, sondern er bleibt ganz einfach sitzen. Und damit zeigt er: Diese Familie hat keine Macht mehr über ihn.
Er sagt sich los von seiner Herkunftsfamilie. Er bricht mit seiner ganzen Verwandtschaft. Und er setzt noch eins drauf: Er schaut auf die Menschen, die da um ihn herumsitzen und sagt: Das ist meine Familie. Wer den Willen meines Vaters tut, der ist für mich Familie.

Ja, Jesus hat sich eine neue Familie gesucht. Und in dieser neuen Familie, zu der niemand aus Nazareth gehört, keiner aus der eigenen Familie -- und da gibt es nur einen „Chef“ – und das ist Gott. Gott allein hat dort das Sagen. Und wer auf diesen Familien-Vater hört, der ist für Jesus Bruder, Schwester und Mutter.

Ein harter Schritt: Jesus sagt sich los von seiner Herkunftsfamilie, von einer Familie, die ihn nicht mehr versteht – auch wenn das so gar nicht zu unseren Vorstellungen von Jesus und der „heiligen Familie“ passt. Denn Jesus sagt sich ja auch von Maria, seiner Mutter los. Auch sie scheint ihn nicht mehr zu verstehen.

Warum ist Jesus so hart? Warum ist Jesus so konsequent? Hätte man das nicht auch „freundlicher“ und „verbindlicher“ lösen können?

Anscheinend nicht. Jesus muss gehen, denn in dieser Familie aus Nazareth hätte Jesus seine Berufung nicht leben können. Um in seiner bisherigen Familie der brave und gehorsame Jesus sein zu können, hätte er dem Familienoberhaupt in Nazareth gehorchen müssen, da hätte er Bretter hobeln und Tische zusammen bauen müssen, da hätte er ihren Vorstellungen entsprechen müssen.

Aber Jesus wusste, dass er einem anderen mehr gehorchen muss – Gott. Und das seine Berufung eben nicht im Möbelschreinern bestand, sondern in der Verkündigung des Gottesreiches, im Predigen und Heilen, im Wahrmachen der Verheißungen Gottes.

Eine Berufung, die dramatische Folgen hat, denn sie zwingt Jesus, aus seiner Herkunftsfamilie auszusteigen und sich eine neue Familie zu suchen – eine geistliche Familie. Aber eine Familie, die ihm erlaubt, seine Berufung zu leben und ganz den Willen Gottes zu erfüllen.
Dort kann und darf er der sein, der er wirklich ist – und er muss nicht so, wie die anderen ihn
gerne hätten.

  
Liebe Schwestern und Brüder,

das ist eine Erfahrung, die immer schon Menschen machen und machen müssen: Dass es Familien gibt, die mit ihren Traditionen und Vorstellungen so stark sind, dass einer seine Berufung dort nicht leben kann. Dass dort das, was Gott in einen Menschen hineingelegt hat, nicht groß werden kann, weil die anderen das nicht verstehen.

Und dann muss es sein, dass jemand seine Familie verlässt;
dass er ausbrechen muss – um woanders wirklich leben zu können, um woanders seine Berufung und sein eigenes Leben leben zu können.
Ungehorsame Kinder, so werden sie dann schon mal genannt – aber dabei waren sie sogar sehr gehorsam – aber halt einem anderen gegenüber: Gott.
Und wenn die Familie das nicht versteht, ist das wirklich dramatisch.
Aber vielleicht verliert diese Dramatik ja auch etwas von ihren Schrecken, wenn Eltern sich bewusst machen, dass es ja unter Umständen Gott ist, der da in ihre Familie eingreift - und dass sich die Kinder, die da weggehen, nicht unbedingt egen ihre Eltern entscheiden - sondern halt für Gott.
Und dem im Wege zu stehen, wäre ja vielleicht noch dramatischer….

„Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder, Schwester und Mutter“. In der Einheitsübersetzung steht über diesem Abschnitt der Satz: Die wahren Verwandten Jesu.

  
Liebe Schwestern und Brüder,

diese neue Familie Jesu, die steht auch uns offen. Es ist eine Familie, in der es nicht auf Blutsverwandtschaft ankommt, sondern Glaubens-verwandtschaft;
nicht auf tote Familientraditionen, sondern auf lebendige Beziehungen, auf die Beziehung zu Gott.
Es ist eine Familie, in der nicht die einen versuchen, über die anderen zu herrschen und zu bestimmen, sondern in der einer dem anderen hilft, seine eigentliche Berufung zu entdecken und diese dann zu leben.
Eine Familie, in der allein Gott der Vater sein darf, und auf dessen Wille alle achten. Und wir sind dort herzlich willkommen - bei den wahren Verwandten Jesu.

 
Amen

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