Predigt von Richard Baus zum 2. Fastensonntag, Lesejahr B

Gen 22,1-2.9a.10-13.15-18

 
Liebe Schwestern und Brüder,

ich möchte noch einmal mit Ihnen auf die erste Lesung schauen, die wir eben gehört haben.
Es gibt wohl kaum eine Geschichte, die so schwierig verständlich und keine, die so missverständlich ist wie diese: Da soll ein Vater seinen einzigen Sohn Gott als Opfer darbringen ...., weil Gott seinen Glauben prüfen will.

Ich werde oft gefragt:
Was ist das denn für ein Gott, der etwas so Schreckliches befiehlt? Die Tötung des eigenen Kindes!
Kann man zu einem solchen Gott überhaupt beten? 

Und auf der anderen Seite: Was ist das für ein Vater, der bei so etwas mitmacht, --  ohne aufzubegehren, ohne sich gegen einen solchen Gott zu wehren?
Denn anscheinend ist er widerspruchslos zu dieser Tat bereit.

 
Nun, liebe Schwestern und Brüder,

bevor wir im Herzen allzu schnell ein Urteil fällen, sollten wir noch einmal genau hinschauen, was uns da erzählt wird – und warum es uns erzählt wird.

Diese Abrahamsgeschichte will etwas ganz Besonderes sagen - über Gott - aber auch über Abraham - und damit über uns Menschen.

Um diese schwierige Geschichte richtig verstehen zu können, müssen wir wissen, dass sich der Glaube an einen einzigen Gott zur Zeit des Abraham noch gar nicht so richtig herausgebildet hatte, wie dieser Glaube uns heute bekannt ist.

Dieser Gaube entwickelt sich erst langsam.

Und bei den Stämmen und Völkern, zwischen denen Abraham umherzieht, erlebt er ja so ganz andere Religionen.
Da gib es Natur- und Fruchtbarkeitsreligionen.
Man hält die Naturmächte, denen man ganz und gar ausgeliefert ist, für Götter. Und damit diese Götter den Menschen das geben, was sie zum Leben brauchen, bedarf es der Opfer. Mit Opfern will man die Götter gnädig stimmen.

Je schlimmer die Lage der Menschen und je bedrohter ihre Existenz ist, um so größer und wichtiger müssen die Opfer sein; das geht hin bis zu Menschenopfern -- und damit das Opfer auch wirklich „wertvoll“ ist, sind es oft die Söhne der Stammesfürsten, die geopfert werden, damit das Unheil aufhört.

Vielleicht wehrt sich Abraham deshalb nicht gegen diesen Gott, der nun sein Kind als Opfer verlangt: Weil er glaubt, das müsse so sein; denn die Völker rund um ihn herum und vor ihm, die tun das ja auch.

Und Abraham ist schließlich Stammesfürst - und vor allem: Auch ER hat ja Wünsche:
Er will mehr Nachkommenschaft, mehr Fruchtbarkeit und mehr Zukunft ----
Und wenn die Götter der anderen Religionen so etwas fordern, dann darf sein Gott das doch auch verlangen.
Und wenn er etwas so Großes von seinem Gott erwartet, muss er dann nicht auch etwas Großes dafür tun?
Muss er seinem Gott dann nicht auch zeigen, wie fromm und gläubig er ist ––– so wie wir das doch auch versuchen mit unseren Opfern und Gebeten?! Sind wir da diesem Abraham nicht sehr ähnlich?!

Und so macht er sich auf den Weg zu diesem Berg – Und er ist bereit, diesem Gott alles zu geben  - sogar sein Kostbarstes und Wichtigstes – seinen Sohn.

Aber dann, als Abraham schon das Messer hebt, um seinen Sohn zu töten, da greift Gott ein ... 
Gott meldet sich zu Wort ------- Und er verbietet dieses Opfer.
 

Liebe Schwestern und Brüder,

genau das ist wohl die Stelle, auf die alles in dieser ganzen Erzählung  hinausläuft:
Sie erzählt uns von einem Gott, der anders ist als die Götter, die die Menschen sich ausgedacht haben.

Sie erzählt uns von einem Gott, der ein solches Opfer eben nicht will – und der es sogar ausdrücklich verbietet.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

welch ein wichtiger Moment in der Entwicklung des Glaubens Israels - und sicher auch unseres Glaubens.
Da zeigt sich Gott so ganz anders als die Menschen ihn sich denken. Ein Gott, der gar nicht dauernd etwas von den Menschen will, sondern der vielmehr schenkt. Und wenn er etwas will, dann eben "nicht Opfer, sondern Barmherzigkeit"- so wie dieser Gott es später immer wieder seinem Volk durch die Propheten sagen lassen.

Nicht dass der Mensch stirbt, sondern dass er das Leben hat - das Leben in Fülle --- so wird es dann später Jesus endgültig und unwiderruflich formulieren.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

diese problematische Abrahams-Erzählung hat also nur den einen Sinn:
Nämlich ein Gottesbild richtig zu stellen.

Diesem Volk Israel zu sagen, dass es für seinen Gott nichts Kostbareres und Wichtigeres gibt als das Leben eines Menschen --- und dass es nichts gibt, was so wichtig wäre, dass man dafür ein solches Leben opfern dürfte.

Und wenn Gott den Abraham in dieser Geschichte „auf die Probe stellt“, wie es ja im Bibeltext heißt, dann sicher nicht, damit ER etwas über diesen Abraham herausfinden kann. Denn Gott kennt ihn doch, der muss ihn nicht erst prüfen ---- Aber diese Prüfung ist wohl notwendig, damit Abraham etwas über IHN, über Gott, herausfindet

Damit es dort auf dem Berg im Land Morija so etwas gibt wie auf dem Berg Tabor: Einen neuen Blick.

Dass Abraham seinen Gott neu sehen kann, in einem anderen Licht, im richtigen Licht, im hellen Licht Gottes ------- So dass er seinem Volk sagen kann:
Nicht Opfer, sondern Barmherzigkeit will Gott,   
nicht Opfer, sondern Liebe und Gerechtigkeit, denn darin liegt Segen. 

Und - vielleicht soll Abraham aber auch etwas über sich selbst herausfinden: Wie schnell ein Mensch bereit sein kann, einen anderen zu opfern, dann, wenn er damit ein Ziel erreichen will, wenn er MEHR haben will als er bisher hatte.
Und wie schnell man meinen kann, Gott wolle das so.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

es ist sicher kein Zufall, dass die Liturgie diese Abrahamsgeschichte so nahe an den Beginn der Österlichen Bußzeit gestellt hat, sondern ich denke, es ist die Aufforderung, auch unser Gottesbild zu überprüfen.

Was ist das für ein Gott, den wir hier verehren, und auf den wir in diesen heiligen 40 Tagen zugehen wollen???

Ist das ein Gott, den wir dauernd bei Laune halten müssen mit schweren Dingen, die wir uns auferlegen??

Ein Gott, der Opfer will - je größer desto besser --- je härter um so lieber?

Je mehr weh es tut, um so mehr freut sich dieser Gott?????

Oder ist er nicht vielleicht doch ganz anders: Ein Gott, der keine schweren Bußübungen und Verrenkungen will, sondern Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Frieden -- sondern ein Gott, der Menschen sucht, die miteinander teilen und füreinander da sind - im Gebet und in Taten?

Ist das ein Gott, den man fürchten muss -- oder ein Gott, den man lieben kann?

Die Antwort muss wohl jede und jeder selbst suchen.

Gott schenkt uns die Zeit dazu -- 40 Tage als Zeit des Heiles und der Gnade.

Ich will dir Segen schenken in Fülle, so sagt Gott zu Abraham ---- so viel Segen, dass Abraham ihn gar nicht alle für sich behalten kann, sondern selbst zum Segen wird für andere. Das ist die Zusage Gottes.

Und diese Segens-Zusage Gottes, liebe Schwestern und Brüder, die gilt auch uns – damit auch wir Segen sind für andere.

Ich wünsche Ihnen eine fruchtbare Fastenzeit -
als eine spannende Zeit mit einem Gott, der schon unser Leben will, sogar unser ganzes Leben --
aber eben nicht als Opfer für sich selbst,
sondern damit es zum Segen wird - für uns und für andere.

 
Amen

 

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