Predigt von Richard Baus zum 3. Ostersonntag, Lesejahr B

1 Joh 2,1-5a; Lk 24,35-48

 
Liebe Schwestern und Brüder,

diese „Erscheinungsgeschichten“ gehören zu meinen Lieblingsgeschichten im Neuen Testament. Sie sind mir so lieb und wichtig geworden, weil sie uns etwas von der Art und Weise erzählen, wie Jesus mit Menschen umgeht; mit Menschen, die anscheinend ihren Glauben verloren haben – und nicht
mehr weiterwissen.
Vielleicht können wir sogar sagen: Diese Geschichten erzählen uns davon, wie sich Jesus Seelsorge vorstellt.

Wenn Sie sich erinnern: Da war eben von Jüngern die Rede, die mit ihrem Glauben ziemlich ans Ende gekommen sind. Kein Wunder, denn sie haben an Karfreitag eine Erfahrung gemacht, die sie total aus der Bahn geworfen hat: Jesus ist tot. Der, von dem sie sich alles erhofft und erwartet hatten, der ist wie ein Verbrecher am Kreuz gestorben.
Und so sind sie am Ende – und ganz ohne Hoffnung.

Mit diesem Jesus, da rechnet keiner mehr von ihnen. Denn den haben sie am Karfreitagabend begraben - und mit ihm auch all ihre Hoffnung.

Und Jesus?
Liebe Schwestern und Brüder, hier fängt die Seelsorge Jesu an: Da wo sie ihn abgeschrieben haben - da macht er sich auf den Weg zu ihnen. Dort wo sie den Glauben verloren haben - da geht er auf sie zu und redet mit ihnen. Wo sie in ihrer Angst weggelaufen sind, da geht er ihnen nach.
Ja, Jesus wartet nicht, sondern er tut den ersten Schritt. Jesus tut immer den ersten Schritt, wenn es um die Menschen geht.

Modell für unsere Pastoral, Vorbild für unsere Seelsorge aneinander. Liebe Gemeinde, wie viel Streit und Leid könnten in unseren Familien, in unseren Gemeinschaften und kirchlichen Gruppen verhindert und beendet werden, wenn nicht immer die einen darauf warten, dass die anderen etwas tun ...
sondern wenn wir selbst den ersten Schritt machen würden. Wenn wir uns wieder gegenseitig suchen würden - unsere Nähe, unsere Verbundenheit!
Wenn wir einen Faden, der abgerissen ist, wieder aufnehmen würden und ihn weiterspinnen würden.
Aber wir warten immer drauf, dass die anderen den ersten Schritt tun…. und dann tut sich nichts...
Dieser Jesus wartet nicht ab, sondern er ergreift die Initiative. Er tut immer das, was „not-wendig“ ist.

Und als Jesus sie findet, als er mitten hineingeht in ihre Angst, in ihre Enge und Verschlossenheit – da schimpft er nicht mit ihnen, er rügt nicht ihren schwachen Glauben, er exkommuniziert sie auch nicht wegen ihrer Untreue, sondern er spricht einen Friedensgruß.
Das erste Wort Jesu nach dem Karfreitag - Friede sei mit Euch!

Jesus klagt niemals an, so hat es Frère Roger von Taize einmal formuliert.
Jesus klagt niemals an, sondern er vergibt, er versöhnt, er macht einen neuen Anfang -
Kein Vorwurf, sondern ein „Friede sei mit euch!“

  
Liebe Schwestern und Brüder,

was war, das ist vergeben und vergessen. Und jetzt ist Frieden! Und man darf wieder neu anfangen.
Das ist die Seelsorge Jesu – Jesus trägt ihnen ihr Versagen nicht nach, sondern er verzeiht ihnen. Er verzeiht ihnen alles.
Müsste das nicht auch das Modell für unsere Seelsorge sein?!

  
Liebe Schwestern und Brüder,

wie viel Unfriede in unserer Welt, in unseren Beziehungen, in unserer Gemeinschaft könnten beendet werden, wenn wir nicht so nachtragend wären!
Wenn wir nicht mit einem Elefantengedächtnis den anderen ihre Fehler und Versagen nachhalten und immer neu aufs Brot schmieren würden ---- sondern wenn wir wirklich Frieden machen würden,
verzeihen könnten, vergeben und vergessen!
Friede sei mit euch!

Und als die Jünger sich so schwer tun mit diesem Jesus, als sie lieber an Gespenster glauben als an ihn und seine Auferstehung, da ist er nicht entrüstet, sondern er bemüht sich weiter um sie; er wird höchst kreativ und lässt sich noch etwas einfallen: Er isst vor ihren Augen etwas und sie sollen ihn anfassen, damit sie wirklich sicher sind, dass er kein Geist, kein Gespenst ist..

Ja, das Evangelium malt uns hier ein tolles Bild:
Jesus mitten in einer Gemeinschaft, in der es ganz viele Zweifel gibt; und in der Zweifel auch zugelassen werden, ohne dass jemand deshalb gleich abgestraft wird.
Und Jesus kommt diesen Zweiflern so nahe, dass sie ihn anfassen dürfen – damit sie ihn im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“ können. Keine Berührungsängste, sondern ganz viel Nähe.

Noch einmal: Die Seelsorge Jesu – als Modell für unsere Seelsorge:
Eine Kirche zum Anfassen sozusagen,
eine Kirche, die nicht dauernd enttäuscht ist über so viel Unglauben und Zweifel, sondern die die Menschen mit ihren Zweifeln annimmt und ernstnimmt – und sich vielleicht fragt, ob sie nicht selbst Mit-
Schuld trägt an diesen Zweifeln.

Eine Kirche, die gerade auf die Zweifler, mit besonderer Liebe zugeht – und die sich Mühe gibt, damit sich daran was ändert. Eine Kirche, die kreativ und erfinderisch ist, um Menschen für sich zu gewinnen.
Wer wünscht sich nicht so etwas?!?

Und wenn ich „Kirche“ sage, dann meine ich uns, dann meine ich Gemeinden und Gemeinschaften, Familien, Beziehungen. Wir sind doch diese Kirche!

Denn wenn der Herr so gut und liebevoll mit seinen „ungläubigen“ Jüngern umgeht, dann sollten wir das doch auch versuchen. Und wenn er allen ihre Schuld verzeiht, so dass sie wieder einen neuen Anfang machen können, warum machen wir es uns und anderen oft so schwer?

Vielleicht müssen wir da als Einzelne und als Kirche ja wirklich noch lernen.

Vielleicht ist es nötig, dass wir uns die liebevolle Pastoral des Herrn zuerst einmal selbst gefallen lassen, damit wir wissen, was das heißt – und wie gut sie tut.
Und dazu wird es gut sein, wenn wir den Herrn herein lassen – in unsere verschlossenen Säle, in unsere oft so abgeschottete Kirche.
Papst Franziskus versucht ja sie zu öffnen - auch wenn es da genügend Leute gibt, die die Türen lieber zuhalten, damit auch ja nichts „Neues“ reinkommt. Keine Vergebung! Keine Kreativität! Alles wie immer!

Und dass wir Jesus hineinlassen in unsere persönlichen Zweifel und Ängste, und uns dabei vom Evangelium zusagen lassen, dass er nicht als Richter kommt, sondern als Erlöser – als der, der uns die Sünden vergibt – und nicht nur unsere, sondern, wie wir es eben in der Lesung gehört haben, die Sünden der ganzen Welt.
Was würde sich da nicht alles verändern!

Den Herrn hineinlassen in unser Leben, damit wir dann erfahren können:
Selbst wenn wir uns schwer tun mit IHM, Er tut sich überhaupt nicht schwer mit uns;
selbst wenn wir ihn hängen lassen am Kreuz, dann läßt ER uns aber nicht hängen und nicht fallen – sondern er nimmt uns an.
Und selbst wenn wir überhaupt nicht glauben können an IHN - wie diese Jünger da – dann glaubt er doch immer noch an UNS - und deshalb sagt er auch zu uns heute morgen – und jeden und jeden
Tag wieder:
Friede sei mit euch!...
damit auch wir immer wieder einen neuen Anfang finden –
mit ihm
und mit unseren Schwestern und Brüdern.
Damit auch für uns Ostern wird - und damit Ostern bleibt – ein ganzes
Leben lang.

 
Amen

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