Predigt von Richard Baus zum Karfreitag, Lesejahr B

1. Lesung an Karfreitag

Lesung aus dem Buch Jesaja.
„Nicht du hast mich angerufen, Jakob; nicht du hast dich um mich bemüht, Israel.Nicht mir hast du die Tiere deiner Brandopfer dargebracht, nicht mich mit deinen Schlachtopfern geehrt.

Meinetwegen musstest du dich nicht um Weihrauch bemühen;
meinetwegen musstest du kein Geld ausgeben für Weihrauchkörner,
mich hast du nicht satt gemacht mit dem Fett deiner Schlachttiere.
Ich mochte dich nicht mit Opfergaben Dienst tun lassen.

Wohl aber hast du mich Dienst tun lassen –
durch deine Verfehlungen, hast mich abgemüht mit deinen Vergehen.
Ich, ich bin’s, der deine Verfehlung wegwischt,
um meinetwillen denke ich nicht mehr an deine Schuld.

Darum hört auf mich, Haus Jakobs
und der ganze Rest des Hauses Israel:
Ihr, die ihr mir vom Mutterleib an auf die Schultern gepackt seid,
ihr, die ich vom Mutterschoß an trage und bis ins hohe Alter tragen werde.

Ich bin derselbe!
Und ich will mich mit euch beladen – bis in euer hohes Alter.
Ich habe getragen und ich will weitertragen.
Und ich will schleppen und retten.“

   
Liebe Schwestern und Brüder,

wir haben sie gerade gehört, die PASSIONSGESCHICHTE. Sicher mit Andacht und  Ergriffenheit. Gehört sich ja auch so - an einem Karfreitag.

Aber vielleicht sollten wir sie eher mit Erschrecken hören als mit Andacht, denn das ist keine „Geschichte von Damals“, sondern die Passionsgeschichte, DIE IST IMMER NOCH.
Denn der Herr leidet immer noch; er wird immer wieder aufs Neue gekreuzigt –  mitten unter uns – Denn er ist doch bei uns alle Tage, bis ans Ende der Welt. Und die Passionsgeschichte setzt auch heute die gleichen Rollen und die gleichen Mitspieler ein wie damals im Jahre 33:

Da sind zunächst die vielen, vielen Gleichgültigen und Feigen, jene, die sich immer gerne die Hände in Unschuld waschen. Die guten Leute, die kopfschüttelnd, aber interessiert zuschauen - und die sich nicht rühren, -- solange nur die anderen geschlagen werden.
Menschen, die keine eigene Meinung haben; die alles geschehen lassen; all das, was nicht zu geschehen bräuchte, wenn diese Menschen nur einmal den Mund auftun würden, nur einmal eine Hand rühren würden, um der Gewalt und der Bosheit Einhalt zu gebieten - in der Familie, am Arbeitsplatz, im Bekanntenkreis.

Dann sind dort die Ausreißer, jene die fortlaufen, wenn es ernst wird; die so wie Petrus, wenn es darauf ankommt, sagen: Ich kennen diesen Menschen gar nicht. O ja, sie haben seine Predigten gehört, sie waren auch sonntags seine Jünger. Man sah sie in den Prozessionen - und sie waren begeistert von den Wundern, für die sie weit gefahren waren: Lourdes, Rom, Fatima, Medjogorje.

Aber als sie sich persönlich für ihn entscheiden sollten,
- als sie einmal nachgeben sollten, um einen Streit zu vermeiden;
- als sie mal mehr abgeben sollten als es ihnen zumutbar erschien
- und als sie wenigstens einmal auf ihr Recht verzichten sollten - um des lieben
Frieden willen - da ging das doch zu weit.
Da waren sie sich doch selbst näher als dem, dem sie in den angenehmen Tagen nachgefolgt waren, als es nichts gekostet hat.

Und auch an den Henkern fehlt es heute nicht; sie sind immer noch da: Der armselige Rohling, der seine Wut und seine Komplexe, die er bei der Arbeit und bei den Kollegen nicht loswerden konnte, dann zu Hause bei seiner Familie austobt;
der Schwächling, der sich mit seiner Fahrradkette in der Hand mächtig vorkommt, die „Guten“, die ihr Land schützen, indem sie in der anonymen Masse und mit maskierten Gesichtern ihre Parolen gegen Menschen schreien, die sie nicht einmal kennen;
und der Gaffer mit seiner Neugier, der keine Scham und keine Grenzen kennt, wenn es darum geht, schmutzige Wäsche zu waschen und seine Lust zu befriedigen.
Und ihnen gegenüber das Opfer - mit seinem Blick voller Trauer und Angst, aber voller Erwartung und Hoffnung: Leidende Gerechte, unschuldig Verfolgte, abgeschobene Alte und Behinderte;
Kinder die alleingelassen und Familien, die in sinnlosen Kriegen auseinandergerissen werden.
Menschen, die leiden und trauern, die Hunger haben und vereinsamen.

Menschen, die uns anschauen und fragen: Wer von euch wird für mich Simon von Cyrene sein, oder Veronika?
Wer wird sich um mich kümmern? -- oder laßt ihr mich hängen an meinem Kreuz?
Menschen, in den der Herr heute uns anschaut - und um unsere Hilfe bittet.

Die Rollen werden verteilt. Jeden Tag aufs Neue. Auch heute.
Und wir müssen wählen. Es ist unmöglich, nicht zu wählen. Und wer nicht wählt, hat sich auch für eine Rolle entschieden --- vielleicht sogar für die häßlichste Rolle ---
"Wer nichts macht, macht mit."

Wir müssen wählen.

 
Liebe Gottesdienstgemeinde,

und wir feiern diesen harten Tag, diesen „Wahltag“, den Karfreitag - mit einem Gottesdienst. Wir singen und beten, wir knien vor dem Kreuz Christi, – und mit alldem glauben wir, Gott einen Dienst zu tun. Oder glauben wir das etwa nicht!?

Wir glauben das, weil wir es von Kind auf so gelernt haben, weil die Kirche es uns so lehrt. Und wir kämen gar nicht auf den Gedanken, dass das falsch sein könnte. Aber wir müssen unserer Karfreitagsstimmung misstrauen. Denn genau das Umgekehrte ist wahr: Nicht wir dienen ihm, sondern er dient uns.

Nicht wir tragen das Kreuz mit ihm, sondern er erträgt uns;
er erträgt es, dass wir in der Stunde seines Todes Lieder singen, über deren Text wir vielleicht nicht einmal nachgedacht haben.
Er erträgt es, dass wir, die wir uns Christen nennen, immer noch in Konfessionen getrennt sind.
Er erträgt, es dass wir nach dieser Stunde des Gebets und der Betrachtung unser Leben so weiterleben, als sei hier nichts geschehen.
Er erträgt es, dass wir unser Leben zweigeteilt haben in ein frommes, kirchliches und in ein alltägliches und geschäftliches Leben. Und wie oft haben diese beiden Leben aber auch gar nichts miteinander zu tun.

Und warum erträgt er das alles? Sicher nicht, weil wir so gut zu ertragen sind, sondern weil er unser Gott ist.
Er ist doch unser Schöpfer. Er hat uns gemacht. Mit Herzblut und Liebe. Als seine Abbilder. Ja, er erträgt uns, weil er uns liebt.
„Und da er die Seinen liebte, liebte er sie bis ans Ende“, so sagt es der Evangelist
Johannes.

„Ihr vom Mutterleid an habe ich euch ja schon auf die Schultern gepackt; seit dem Mutterschoß trage ich euch doch schon und bis hinein ins hohe Alter: Ich bin derselbe! Ich will mich beladen! Ich habe getragen und will weitertragen. Und ich will schleppen und retten - bis ans Kreuz.“ So haben wir Jesaja sagen hören.

Das feiern wir heute,
oder sagen wir besser: IHN feiern wir heute. Ihn, der uns liebt - auch wenn wir ihn immer noch hängen lassen.
Ihn, der an uns und mit uns leidet, weil wir aus unseren oft so üblen Rollen nicht herauskommen.
Und der alles tut, um uns aus all dem erlösen - weil wir das ohne ihn nicht schaffen.
Alles – bis ans Kreuz.

 
Amen

(Gedanken von Rolf Zerfass und Franz Kamphaus)

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