Hirtenwort zur österlichen Bußzeit 2021

Das Geschenk des Glaubens neu entdecken

Liebe Schwestern und Brüder im Bistum Trier,

bereits seit der Fastenzeit des letzten Jahres hält uns die Corona-Pandemie in ihren Fängen, ebenso aber auch die Gegenmaßnahmen, mit denen wir versuchen, die schwer-wiegenden Folgen der Pandemie einzudämmen. Persönlich und gesellschaftlich sind wir massiv beeinträchtigt. Auch das kirchliche Leben in unseren Pfarrgemeinden und an den verschiedenen Orten von Kirche leidet unter dieser Situation. Deshalb bin ich allen Ehren- und Hauptamtlichen sehr dankbar, die sich mit großem Verantwortungssinn und Kreativität dafür einsetzen, christliches Leben in Gottesdienst und Gebet, im Bereich der Katechese und der konkreten Hilfeleistung für den Nächsten weiter zu ermöglichen. Einen besonderen Dank möchte ich all denjenigen sagen, die dafür sorgen, dass die notwendigen Schutzkonzepte verwirklicht werden können.

Welche langfristigen Folgen die Corona-Pandemie für das christliche Leben in unseren Gemeinden haben wird, lässt sich noch nicht wirklich abschätzen: Wird die Pandemie auf breiter Ebene zu einer Entwöhnung vom gemeinschaftlichen Gottesdienst und zu einer weiteren Entfremdung von der Kirche führen? Werden wir, auch durch die finanziellen Auswirkungen auf unser Bistum, eine spürbare Schwächung des kirchlichen Engagements erfahren? Oder wird die Corona-Krise zu einer neuen Nachdenklichkeit beitragen, zu einem neuen Hunger nach dem Wort Gottes, zu einer neuen spirituellen Suche nach Orientierung und zu neuen Formen, sich im Glauben zu verbinden, auch durch die Mittel der digitalen Kommunikation? Auf all diese Fragen können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine verlässlichen Antworten geben. Klar ist aber, dass die Zeit der Corona-Pandemie auch die Kirche verändern wird.

  
Wieder in Bewegung

Das Jahr 2020 war in unserem Bistum nicht nur aufgrund des Virus durch mehr oder weniger starke Phasen eines „Lockdowns“, das heißt durch Einschränkungen gemeinschaftlicher Aktivitäten geprägt. Durch die von Rom verfügte Aussetzung des Gesetzes zur Neuordnung der Pfarreien gab es auch so etwas wie einen „Lockdown“ im Prozess der Pfarreienreform. Dadurch waren wir aber nicht zur Untätigkeit verurteilt. Vielmehr gab es erneut ein intensives Nachdenken und Beraten darüber, wie den verschiedenen Befürchtungen und Kritiken Rechnung getragen werden kann, um eine breitere Akzeptanz für die angezielten Veränderungen zu erreichen. Ich bin zuversichtlich, dass uns darüber im vergangenen Herbst eine tragfähige Verständigung gelungen ist. Insofern habe ich die Hoffnung, dass das Jahr 2021 insgesamt ein Jahr wird, das uns in unserem privaten, im gesellschaftlichen und kirchlichen Zusammenleben wieder Bewegungsspielraum geben wird.

Liebe Schwestern und Brüder! Es würde den Rahmen und den Charakter eines Fastenhirtenbriefs sprengen, hier die einzelnen Elemente und Schritte für den künftigen Weg unserer Diözese aufzuführen. Die näheren Informationen dazu finden sich auf unserer Bistumshomepage. In den nächsten Monaten soll es zunächst darum gehen, nüchtern und ehrlich auf die konkreten Situationen unserer Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften zu schauen und zu beraten, welche Schritte – gerade auch durch eine noch stärkere Bündelung der Kräfte – gegangen werden können und müssen. Die Erfahrungen der Corona-Zeit werden hierbei vermutlich eine nicht unwichtige Rolle spielen.

Von Herzen bitte ich Sie darum, sich auf diesen Prozess einzulassen und den von mir beauftragten Personen, die dazu das Gespräch mit Ihnen suchen werden, mit Offenheit zu begegnen. Hier sind vor allem die Mitglieder der pfarrlichen Gremien gefragt. Deshalb gilt meine Bitte besonders ihnen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Ratsmitgliedern noch einmal ausdrücklich dafür danken, dass sie bereit waren, über die ursprünglich vorgesehene Amtszeit hinaus, auch noch für das laufende Jahr Verantwortung zu übernehmen. Die Einschätzungen und Hinweise, die sie in den kommenden Monaten geben werden, werden wesentlich dafür sein, ob und wie unsere Gemeinden den Weg in die Zukunft finden.

  
Drängende Fragen

Liebe Schwestern und Brüder! Lassen Sie mich noch einmal zurückkommen auf die immer noch andauernde Corona-Pandemie: Ich bin überzeugt, dass diese Krise uns nicht nur allgemein menschlich und gesellschaftlich gewaltig herausfordert und auch nicht nur als kirchliche Gemeinschaft. Vielmehr fordert die Corona-Krise auch unser ganz persönliches Glaubensleben heraus. Denn sie drängt uns zu der Frage: „Wie wichtig ist für mich der Glaube? Ist er für mich ein ‚Lebensmittel‘, ohne dass ich nicht sein kann?“ 

Die Antwort kann so oder so ausfallen. Schön wäre es natürlich, wenn uns der Glaube Bestärkung und Orientierung gibt in einer Zeit, in der so viele Selbstverständlichkeiten unseres Lebens infrage gestellt sind. Schön wäre es auch, wenn die Einschränkungen des kirchlichen Lebens dazu führten, die persönliche Dimension des Glaubens neu zu entdecken. Dann könnte die durch Corona ausgelöste Krise uns sogar helfen, uns im Glauben persönlich und gemeinschaftlich weiterzuentwickeln.

In den letzten Jahren ist unser Blick auf den Glauben und die Kirche stark von den problematischen Seiten her bestimmt. Und das nicht ohne Grund: Über Unrecht hinwegzusehen und Versagen zuzudecken sind keine Lösung. Im Gegenteil: Solche Verhaltensweisen verursachen viel Leid und dürfen keinen Platz in unserer Kirche haben. Aber wenn unser Blick auf den Glauben und die Kirche sich nur noch auf das Versagen konzentriert, dann wird uns über kurz oder lang die Kraft zur Veränderung fehlen. Mehr noch: Wir verfehlen den innersten Kern des Glaubens. Dieser besteht doch darin, dass der Glaube an Gott ein wunderbares Geschenk an jeden einzelnen Menschen ist und bleibt, trotz all der Verzerrungen und Entstellungen, mit denen wir den Glauben verdunkeln.

  
Ein Geschenk, das mein Leben radikal verändert

Um zu illustrieren, was ich meine, möchte ich eine Erfahrung mit Ihnen teilen, die ich gerade am Ersten Fastensonntag immer wieder machen darf. An diesem Tag kommen in jedem Jahr Taufbewerberinnen und -bewerber aus dem ganzen Bistum nach Trier, um in unserem Dom feierlich aufgenommen zu werden unter die Kandidaten für die Taufe, die sie an Ostern empfangen.

Vor dem Gottesdienst im Dom habe ich mir in den vergangenen Jahren bewusst die Zeit genommen, um die Frauen und Männer, Kinder und Jugendlichen ein wenig kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Dabei ist es für mich immer spannend, etwas von ihrem jeweiligen Weg zu hören: wie sie zu dem Entschluss gekommen sind, sich taufen zu lassen; wer sie auf diesem Weg begleitet hat; wer ihnen vielleicht sogar den Anstoß dazu gegeben hat und welche Erfahrungen sie bisher gemacht haben.

Mehr als einmal habe ich dabei erlebt, dass Menschen, die das Christentum kennenlernen, fasziniert sind von der Überzeugung, dass Gott jeden einzelnen Menschen mit Namen kennt, ihn annimmt, mit ihm eine persönliche Beziehung eingeht, ihn liebt. Sich auf diese Weise angesehen und gekannt zu wissen, ist für manche geradezu eine umwerfende Erfahrung. „Dass Gott so zu mir steht, war für mich bisher völlig unvorstellbar und neu“, hat mir einmal ein Taufbewerber gesagt. Diese Erkenntnis habe nicht nur sein eigenes Lebensgefühl positiv verändert, es habe ihm auch einen ganz neuen Blick auf die Menschen geschenkt. Er schaue nun mit größerem Respekt und mit Wertschätzung auf die Mitmenschen, denen Gottes Liebe gilt wie ihm selbst.

Liebe Schwestern und Brüder, solche Zeugnisse zu hören, berührt mich immer wieder. Es berührt mich, weil es mir zeigt, wie unmittelbar Menschen von der Botschaft des Glaubens getroffen werden. Von Gott persönlich gekannt, ja von ihm geliebt zu sein, halten wir, die wir in der Mehrheit als Kind getauft und in diesem Glauben großgeworden sind, für nichts allzu Besonderes, obwohl doch das Gegenteil der Fall ist: Dass Gott sich für jeden Menschen interessiert, auf ihn achtet, ihn liebt –, das ist doch alles andere als selbstverständlich. Das ist geradezu revolutionär! Wie gut ist es, Menschen zu begegnen, die uns die Augen öffnen für diese Kostbarkeit des Glaubens. Und wie gut ist es, dass es Zeiten gibt, die uns dafür neu die Augen öffnen wollen. Eine solche Zeit will die Fastenzeit sein. Eine solche Zeit kann auch die Corona-Zeit sein.

Liebe Schwestern und Brüder, wir stehen als Kirche in großen Herausforderungen und Veränderungen. Als Getaufte gehört es zu unserem Auftrag, uns diesen Herausforderungen und Veränderungen bereitwillig zu stellen. Wir wollen es nicht tun, ohne uns immer wieder an das zu erinnern, was der Glaube uns schenkt und was durch keine Macht der Welt zerstört werden kann: Gottes unbändige Liebe in Jesus Christus. In dieser Gewissheit wünsche ich Ihnen allen gute Gesundheit und gläubige Zuversicht in dieser Zeit.

Dazu segne Sie und Ihre Lieben der dreifaltige Gott, + der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Ihr Bischof + Stephan

 

 

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