Predigt von Richard Baus zum Fest der Heiligen Familie, Lesejahr C

Lk 2,41-52
  

Liebe Schwestern und Brüder,

wer kennt das nicht? Da haben sich Eltern sehr viele Gedanken um ihr Kind gemacht; sie haben alles getan, um ihm die bestmögliche Zukunft zu garantieren. Eine Existenz aufgebaut, die das Kind nur zu übernehmen braucht. Alles ist hervorragend geplant. Und dann sagt das Kind: Nein!

Nein, es hat andere Pläne. Nein, es will nicht das Leben führen, das seine Eltern sich für es ausgedacht haben. Nein, es will auch gar nicht so leben, wie seine Eltern es bisher in der Familie getan haben, sondern es will etwas ganz anderes.

Und dann ist die Enttäuschung groß: Sie hatten es doch so gut gemeint, und dann das. »Kind, wie kannst du uns so etwas antun?

 
Liebe Schwestern und Brüder,

Diese vorwurfsvolle Frage an die Kinder ist wohl schon so alt wie es Familien gibt.

Und auch in der sogenannten Heiligen Familie kommt sie auf den Tisch -- als der zwölfjährige Jesus anfängt, sich auf eigene Füße zu stellen, eigene Ideen zu entfalten und anfängt, sich von seiner Mutter und seiner Familie zu lösen.

Dieses Evangelium von heute beschreibt einen ganz wichtigen Augenblick im Leben dieses Jesus, eine wichtigen Augenblick im Leben eines jeden Kindes: Jesus ist mit 12 Jahren dabei, langsam seine eigene Persönlichkeit zu entwickeln; oder um es in unserem religiösen Sprachgebrauch auszudrücken: Er ist dabei seine Berufung zu entdecken.

Und dabei muss er in Kauf nehmen, dass er das Bild vom lieben und braven Jesus-Kind zerstört.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

wenn wir die Entwicklung dieses Jesus-Kindes in den Evangelien weiterverfolgen, dann müssen wir sogar entdecken, dass er so gar nicht das brave Jesus-Kind ist, sondern eher ein schwieriges Kind. 
Das geht so weit, dass Maria und die Verwandten sich aufmachen, um diesen Jesus nach Hause zu holen, weil sie glauben, er sei von Sinnen. Denn so wie lebt, so wie er spricht und so wie er mit den Sündern verkehrt, das hat es in ihrer Familie noch nie gegeben – und das kann nicht gut gehen.

Jesus, das eher schwierige Kind, das uns schon hier so begegnet. Denn als seine Eltern ihn gefunden haben, da ist keine Entschuldigung aus seinem Munde zu hören, kein Anzeichen eines schlechten Gewissens, sondern nur die sehr selbstbewusste Gegenfrage: »Wusstet ihr denn nicht, dass ich im Hause meines Vaters sein muss?«

 
Liebe Schwestern und Brüder,

wie bei allen gesunden Kindern beginnt bei Jesus hier ein Abnabelungsprozess, der für die Eltern meist sehr schmerzlich ist. Denn auch Jesus versucht seinen Eltern klarzumachen, dass er nicht da ist, um ihnen ausschließlich Freude zu machen oder um das zu werden, was sie sich von ihm erwarten… 
Nein, er ist da, um zu dem zu werden, wozu Gott, der Vater, ihn berufen hat. 
Und ich denke, was hier für Jesus gilt, das gilt genauso für alle anderen Kinder auch.

Ein Prozess, der Zeit braucht, und der Schmerzen bereitet. 

Jesus muss lernen, in seine Berufung hineinzuwachsen, das zu entwickeln und zu entfalten, was in ihm steckt, was Gott in ihn hineingelegt hat. Und dazu braucht er Zeit – und Gelegenheit.

Und auch die Eltern, Maria und Josef, müssen das lernen. Und auch sie brauchen Zeit, um zu begreifen, was Jesus ihnen sagen will.

Und sie müssen wohl oder übel – wie alle Eltern – unter Sorgen und Schmerzen lernen, dass sie keinen Besitzanspruch auf ihr Kind haben, sondern dass sie es loslassen müssen – immer mehr, je älter es wird.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

ich denke, das Fest der Heiligen Familie ist eine Unterrichtsstunde, eine Katechese der Kirche für Eltern, in der es nicht so sehr darum geht, wie brav und wie folgsam Kinder sein müssen, damit ein Familienleben gut funktioniert und Eltern glücklich und zufrieden sein können. Sondern in der es darum geht, dass Eltern dabei mithelfen müssen, damit Kinder zu dem werden können, wozu Gott sie berufen hat -- damit diese Kinder einmal zu glücklichen Menschen werden können.

Das Heilige in dieser Heiligen Familie bestand sicher nicht darin, dass alles konfliktfrei und harmonisch abgelaufen ist, denn das ist es nicht; sondern das Heilige bestand darin, dass diese Familie am Ende zu diesen Lernschritten bereit war -- auch unter Schmerzen. Dass sie bereit war, von den Plänen, die die Eltern sich für das Kind gemacht haben, Abschied zu nehmen und anderes zuzulassen.

Das Heilige an dieser Familie besteht darin, dass hier ein Kind so heranwachsen konnte, dass es zu sich selbst und zu seiner von Gott geschenkten Berufung finden konnte. Und das da eine Familie war, die ihr Kind nicht hat fallen lassen, auch nicht unter dem Kreuz.

Der libanesische Schriftsteller Kahlil Gibran hat über diesen wichtigen und für Kinder lebensnotwendigen Prozess Worte gefunden, die er Eltern ins Stammbuch schreibt.

»Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und sind sie auch bei euch, so gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen Liebe geben, doch nicht eure Gedanken. Denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Ihr dürft ihren Leib behausen, doch nicht ihre Seele.

Vielleicht waren das ein paar ungewöhnliche Gedanken zum Fest der Heiligen Familie. Vielleicht waren aber auch ein paar Gedanken dabei, die Mut machen können, sogenannte schwierige Kinder auch schwierig sein zu lassen und sie darin zu begleiten – im Vertrauen darauf, dass ja auch noch Gott da ist. Denn auch Jesus war offensichtlich ein schwieriges Kind, aber genau darin ein Kind Gottes.

Und vielleicht war da auch eine Ermutigung, noch einmal bei uns selbst nachzuschauen, was Gott von uns will, wozu er uns eigentlich berufen hat und was für uns selbst gut ist – bevor wir immer wieder gleich wissen und planen, was für andere gut und richtig ist.

Amen

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