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Die neun jungen Männer stammen aus Syri-
en, haben ihre von Bürgerkrieg und Terror
zerschundene Heimat verlassen müssen,
sind im September nach Deutschland ge-
kommen und über Trier, wo sich die zentra-
le Aufnahmestelle für Flüchtlinge in Rhein-
land-Pfalz befindet, nach Waldbreitbach
gekommen. Seit Anfang November wohnen
sie auf dem Waldbreitbacher Klosterberg. –
Warum sich die Waldbreitbacher Franziska-
nerinnen für Flüchtlinge engagieren, liegt
auf der Hand: „Wir sind für alle Menschen
da“, bringt es Generaloberin Schwester
Edith-Maria Magar auf den Punkt.
Die neun syrischen Flüchtlinge – der älteste
ist 39, der jüngste 20 Jahre alt – haben jeder
ein eigenes Zimmer (und damit auch einen
Rückzugsraum, Küche und Wohnzimmer
respektive Gemeinschaftsraum teilen sie
sich. Sie versorgen sich selbst, aber mittler-
weile hat sich auch ein kleiner Kreis von Pa-
ten gebildet (darunter auch zwei Schwes-
terngruppen), die den jungen Männern
dabei helfen wollen, im (bürokratischen)
Alltag besser zurecht zu kommen. Seit An-
fang Dezember besuchen sie wochentags ei-
nen Deutschkurs, das gibt ihrem Tag wieder
so etwas wie Struktur. Und wer möchte, der
ist auch herzlich eingeladen, den Mitarbei-
tern im Technischen Dienst zur Hand zu ge-
hen. Das hilft ungemein bei der Integration.
Wie lange sie bleiben werden, das kann nie-
mand sagen. Auf dem Waldbreitbacher
Klosterberg sind sie jedenfalls willkommen.
Ob sie Schiiten oder Sunniten oder Christen
sind oder der Volksgruppe der Kurden an-
gehören, das spielt keine Rolle. Viel wichti-
ger ist, und das haben die Waldbreitbacher
Franziskanerinnen ihnen gleich bei der Be-
grüßung deutlich gemacht, dass sie das
Grundgesetz und damit die Grundregeln
akzeptieren, auf denen das Zusammenleben
in Deutschland aufbaut. Und da ist den Or-
densfrauen beispielsweise die Religionsfrei-
heit genau so wichtig wie die Gleichheit von
Mann und Frau.
Schwester M. Margit Hennig
Berufung
g
Es war ein einziger Satz, der ihr ganzes Leben
veränderte. Als Schwester M. Margit Hennig
hörte, dass ihre Schwester darüber nachdach-
te, in eine Ordensgemeinschaft einzutreten,
sagte sie: „Wie kannst Du ins Kloster gehen,
auf so eine Idee käme ich nie.“ Trotzdem
habe sie von dem Moment an der Gedanke
an ein Ordensleben nicht mehr losgelassen,
obwohl sie damals einen Freund und ein völ-
lig anderes Leben für sich geplant hatte. Auf-
gewachsen ist Schwester M. Margit zusam-
men mit zwölf Geschwistern in der Nähe von
Emmelshausen im Hunsrück. Die Familie
stammte ursprünglich aus Ostpreußen und
war in den letzten Kriegstagen geflüchtet.
Diesem Umstand ist es geschuldet, dass
Schwester M. Margit weder eine Geburtsur-
kunde noch andere Papiere besaß, als sie bei
den Aachener Franziskanerinnen eintreten
wollte. Sie hatte in einem Altenheim der
Schwestern die Altenpflegeausbildung absol-
viert. Die Ordensgemeinschaft nahm sie des-
wegen jedoch nicht auf. „Auf einem Missi-
onskalender fand ich die Adresse der
Waldbreitbacher Franziskanerinnen“, erin-
nert sie sich. Noch heute freut sie sich darü-
ber, dass ihre fehlenden Papiere für die Wald-
breitbacher Schwestern kein Problem waren.
„Denn schon als ich im Postulat war, wusste
ich, dass ich bleiben will“, so Sr. M. Margit.
Schon im Spätsommer hatten die Waldbreitbacher Franziskanerinnen mit Bettwä-
sche und Kleidung die Flüchtlinge, die in die Region kamen, unterstützt.
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