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auch schon mal figürlich, sonst sind es häufig
Natur- oder Landschaftsbilder. Eines ihrer ak-
tuellen Bilder von einem Feldweg durch dich-
tes Gras bei Sonnenaufgang hatte zum Bei-
spiel den Psalm 18 „Du führst mich hinaus in
die Weite, du machst meine Finsternis hell“
zur Grundlage. Bei solchen Bibelworten oder
Impulsen aus Gebeten „kommt mir oft ohne
nachzudenken ein Bild in den Sinn“, so
Schwester M. Antonia. Und dann muss es
manchmal ganz schnell gehen. Selbst wenn es
erst 5 Uhr morgens ist, zieht es sie wie ma-
gisch in ihr Atelier.
Ihr Stil ist teilweise gegenständlich, häufig
verzichtet sie aber auf kleinteilige Details.
„Ganz abstrakt zu malen, liegt mir aber nicht“,
betont Schwester M. Antonia, die ihre Werke
in Richtung des Impressionismus einordnet.
So wird zumBeispiel der Feldweg durch dich-
tes Gras eher durch das Farbenspiel deutlich
und die Grashalme durch die Pinselführung,
als dass jeder Stein oder jedes Blatt im Detail
zu erkennen wäre. Acryl-Farbe und Leinwand
sind dafür dankbare Materialien. Obwohl sie
längst nicht nur mit Farbe und Pinsel arbeitet:
Haarkämme und Spachtel stehen ebenso
griffbereit wie Kaffeepulver, Schwämme,
Holzleim oder auch ein Käsehobel. „Ich
möchte meine Bilder gern etwas plastisch er-
scheinen lassen“, erklärt Schwester M. Anto-
nia. Kaffeepulver mit Leim trocknet auf Lein-
wand zum Beispiel zu einer porösen und
doch festen Masse, die sich gut bemalen lässt.
Und mit einem groben Kamm ritzt die Künst-
lerin in feuchte Farbe problemlos parallele
Rillen. „Das ist besonders für Hintergründe
reizvoll“, erklärt sie. Anregungen dieser Art
holt sich die 74-Jährige gerne aus dem Inter-
net. „Youtube ist mein Lieblingsprogramm“,
lacht Schwester M. Antonia.
An manchenWochenenden kann es vorkom-
men, dass ihre Mitschwestern sie stundenlang
nicht zu Gesicht bekommen. „Beim Malen
kann ich Land und Leute vergessen“, gesteht
die Ordensfrau. „Ich bin Gott sehr dankbar,
dass er mir diesen Weg gezeigt hat, sich so in
ihn zu versenken und meinen Glauben auf
diese künstlerische Weise zu leben.“
Bei ihrer ersten hl. Kommunion habe sie sich
selbst versprochen, dass sie einmal ins Klos-
ter gehen würde, erinnert sich Schwester M.
Christina Brohl an ihre Kindheit an der Mo-
sel zurück. „Aber das war ein Geheimnis,
niemand durfte davon wissen“, erzählt sie
schmunzelnd. Zwei ihrer Tanten waren Ter-
tiar-Karmelitinnen in Luxemburg, und als
sie 18 Jahre alt war, ging Schwester M. Chris-
tina ebenfalls dorthin. Bei den Karmelitin-
nen lernte sie die Hauswirtschaft und dann
die Krankenpflege. „Beim Abschied von zu
Hause hatte ich zu mir gesagt: Lieber Gott,
ich komme!“. Doch als sie dann das erste ei-
gene Geld in den Händen hielt, sei die Versu-
chung groß gewesen, den Wunsch nach ei-
nem Ordensleben noch mal zu überdenken.
„Wenn ich mich jetzt nicht dafür entscheide,
dann mache ich es nie mehr“, sagte sie sich
damals. Mit 23 Jahren folgte sie deshalb ih-
rem inneren Ruf und trat bei den Karmeli-
tinnen ein. Diesen Schritt hat sie nie bereut.
Aber selbst der Weg einer Ordensfrau ver-
läuft nicht immer nur geradeaus: Um ihrer
inneren Überzeugung treu zu bleiben, stand
sie nach einigen Jahren erneut vor einer Ent-
scheidung. Seitdem gehört sie zu den Wald-
breitbacher Franziskanerinnen. Bis heute ist
sie glücklich darüber, dass ihr Traum aus
Kindertagen wahr geworden ist.
Schwester M. Christina Brohl
Berufung
Der Psalm „Du führst mich hinaus in die Weite, du machst meine
Finsternis hell“ ist die Idee hinter diesem Gemälde von Schwester
M. Antonia. Foto: fs
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