Predigt von Richard Baus zum Hochamt an Weihnachten, Lesejahr A

Joh 1,1-5.9-14

  
Liebe Schwestern und Brüder,

ich habe eine Weihnachts-Geschichte gelesen, die mich ziemlich angerührt hat. 
In einer amerikanischen Gemeinde wird ein Weihnachtsspiel eingeübt: Die Herbergssuche. Die Rollen sind verteilt. Ein Junge ist noch übrig. Und er wird vor die Wahl gestellt: Entweder er spielt einen bösen Wirt - oder er spielt gar nicht mit.

Schweren Herzens entscheidet er sich für die Rolle des bösen Wirtes. Aber während der Proben bringt er es einfach nicht übers Herz, Maria und Josef die Tür zu weisen und wegzuschicken. Vielmehr hat er jedes Mal seine helle Freude daran, das heilige Paar zu bewirten und ihm ein Zimmer zur Verfügung zu stellen. Das geht natürlich nicht und er bekommt Ärger mit dem Spielleiter. Erst als man ihm deutlich macht, dass er die ganze Aufführung kaputt macht mit seiner Eigenwilligkeit, weil das Spiel ja nicht weitergeht, beherrscht er sich und spielt den bösen Wirt - wie gewünscht.

Und dann kam die Aufführung. Als Maria und Josef anklopfen, da öffnet er die Tür und ruft mit finsterem Blick: Fort, geht weg; hier ist kein Platz für Euch.
Aber dann überkam ihn etwas; sein Blick hellte sich auf und er rief: Aber kommt doch für einen Moment rein und trinkt eine Tasse Tee. Dann muss ich euch aber wegschicken, weil das Spiel weitergehen muss. „The game must go on!“, so hieß es im amerikanischen Original der Erzählung.

The game must go on…  Das Spiel muss weitergehen….

  
Ja, liebe Schwestern und Brüder,

wie oft wird im Leben Gutes verhindert, weil „das Spiel“ weitergehen muss, weil wir Menschen funktionieren müssen, weil wir die Rolle spielen müssen, die man uns zugedacht hat; weil wir tun müssen, was andere von uns erwarten.

Und was könnte vielleicht auf einmal alles möglich sein, wenn wir das Spiel mal mutig unterbrechen würden - und wenn wir nicht mehr den vorgeschriebenen Rollen und Erwartungen folgen würden, sondern unserem Herzen…….
Spielunterbrechungen - die vielleicht Wunder bewirken können.

  
Liebe Schwestern und Brüder,

eine solche Spielunterbrechung feiern wir jedes Jahr an Weihnachten. An eine solche Spielunterbrechung denken wir heute:

Da traut sich einer, aus dem vorgegeben Textbuch und aus der angeordneten Rolle auszusteigen und was ganz anderes zu machen.

Ja, Gott traut sich. Gott traut aus seiner Rolle, die wir Menschen ihm Jahrtausende und Jahrhunderte vorgegeben hatte, auszusteigen und das Spiel zu unterbrechen:
Er will nicht mehr der ferne Gott im Himmel sein, dem die Menschen ehrfürchtig und ängstlich dienen müssen, sondern er will selbst auf die Erde kommen, um unter ihnen zu leben und ihnen zu dienen.

Er will nicht mehr der Gott sein, dem die Gesetze vorschreiben, dass er das Gute zu belohnen und das Böse zu bestrafen hat, sondern er will die Bösen suchen, um sie heimzuführen und zu retten. Um sie gut zu machen.

Er will nicht mehr der unbegreifliche Schöpfer und All-Heilige sein, dem man sich nicht nahen darf, sondern er will uns ganz nahe kommen. Ja, er will sogar selbst ein Mensch werden. Der Schöpfer will Geschöpf werden - weil er ein Herz hat, das anders schlägt als wir alle es gedacht haben.

Ein Herz, das nicht nur für die Großen und Starken schlägt, sondern viel, viel mehr für die Kleinen und Schwachen --
und der es eben nicht über sein Herz bringt, mit bösem Gesicht den Sündern sagen zu müssen: Fort! Geht weg! Hier ist kein Platz für euch! - nur damit das alte Spiel richtig und nach Plan weitergeht. Nein, Gott unterbricht das Spiel - und er macht einen neuen Ausgang möglich.
  

Liebe Schwestern und Brüder,

Gott wird Mensch - damit der Mensch gerettet wird und Gott ähnlich werden kann.
Das Wort will nicht mehr unverstanden und ungehört bleiben, sondern es nimmt Fleisch an, Hand und Fuß, damit wir Menschen es verstehen und begreifen kann - damit es bei den Menschen ankommt.
Und mit dieser Spielunterbrechung geschieht das größte Heil, das Gott dem Menschen je zuteil werden ließ:
Das Wort wird Fleisch. Gott wird Mensch. Er macht sich uns gleich: Er wird schwach und klein, er wird nackt und bloß – und schämt sich nicht einmal dafür, denn er tut es doch aus Liebe.
  

Meister Ekkehart, ein deutscher Mystiker aus dem Mittelalter, erzählt dazu:
Die Frau eines reichen Mannes verlor bei einem Ungeschick ein Auge. Da ward sie sehr betrübt und fürchtete, ihr Mann würde sie nun nicht mehr lieben. Da stach auch der reiche Mann sich selbst ein Auge aus, um seiner Frau seine Liebe zu beweisen, an der sie gezweifelt hatte.

„Um Dir zu zeigen, wie sehr ich Dich liebe, habe ich mich Dir gleich gemacht“, so sprach der reiche Mann zu seiner Frau.

So auch ist der Mensch: Der konnte kaum glauben, dass Gott ihn so lieb habe, bis dass Gott sich selbst schließlich 'ein Auge ausstach' und unsere menschliche Natur annahm.“

 
Liebe Schwestern und Brüder,

Gott unterbricht das Spiel, er spielt nicht mehr die alte Rolle des fernen, unnahbaren und oft „bösen“ Gottes weiter, sondern er wird Mensch.
Und damit gibt es einen neuen Ausgang des Spieles: Das Heil bleibt nicht im Himmel, sondern es kommt auf die Erde. Gott bleibt nicht oben, sondern er kommt herunter – um uns hinaufzuholen.
Ja Gott wird ein Mensch, damit wir Menschen göttlich werden.

Wer hätte damit gerechnet?! Sicher niemand, weil das ja so ver-rückt ist!

Ein neuer Ausgang, weil einer eine Unterbrechung des Spieles gewagt hat. Gott!

   
Liebe Schwestern und Brüder,

und so ist das Fest der Menschwerdung nun wohl die Einladung an uns, dass wir es Gott gleichtun; dass auch wir die alten Spielchen dieser Welt, die immer so viel Streit, Krieg und Bosheit erzeugen, unterbrechen und auch mal eine neue Rolle einnehmen, damit es auch bei uns einen anderen Ausgang gibt, einen heil-volleren; einen Ausgang, der die Welt verändert. Zumindest die kleine Welt, in der wir jeden Tag leben. 

Wer weiß, was dann alles möglich ist - wenn wir einfach nicht mehr mitspielen, nicht mehr auf die Anweisungen der anderen hören, sondern auf unser Herz. Wenn wir einfach mal was anders machen als wir es sonst immer gemacht haben:

Wenn wir auf einmal nicht mehr so ablehnend sind gegenüber Flüchtlingen – weil wir nicht dauern daran denken, was das uns vielleicht kosten, sondern wir dauernd daran denken, dass das doch Menschen sind, Menschen in Not;

wenn wir nicht mehr argwöhnisch sind gegenüber dem Fremden, sondern sie erst einmal kennenlernen wollen, bevor wir uns entscheiden, wie wir mit ihnen umgehen;

wenn wir nicht mehr immer so nachtragend gegenüber den Fehlern unserer Mitmenschen sind – sondern auch mal vergeben und verzeihen können;

und wenn wir einfach etwas freundlicher und liebevoller werden, großzügiger und friedvoller, eben ein bisschen ANDERS als wir sonst immer sind….

Vielleicht werden wir dann ja  MENSCHLICHER --- und wenn wir schon mal MENSCHLICHER sind, dann werden wir mit Sicherheit auch GÖTTLICHER, 
weil Gott und Mensch zusammengehören – seit Gott eben nicht daran festhielt wie Gott zu sein, sondern weil er sich eine andere Rolle gesucht hat: Er wurde Mensch. Einer von uns.

Ja, Er hat sich uns gleichgemacht - aus Liebe - und damit „das Spiel“ eben nicht weitergehen muss wie bisher, sondern damit das Spiel für uns ganz anders ausgeht, viel besser als wir uns das je zu denken getraut hätten – 
nämlich nicht in der Hölle und nicht im Gericht, sondern bei ihm im Himmel.

In diesem Himmel, den er uns an Weihnachten aufschließt – 
damit wir bei ihm Herberge haben und Leben.

  
Amen

   
(Die anfangs erwähnte Geschichte stammt von Jakob Paula)

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