Predigt von Richard Baus zum 2. Adventssonntag, Lesejahr A
Jesaja 11,1-10 Mt 3,1- 12
Liebe Schwestern und Brüder,
da sind uns eben in den Lesungen zwei Propheten begegnet: Jesaja und Johannes der Täufer. Zwei Männer, deren Aufgabe es ist, Gottes Botschaft in die Welt hinauszurufen.
Aber kann man vom selben Gott so unterschiedlich reden? So unterschiedlich, wie diese beiden Männer es tun?
Sie erinnern sich? Da kommt Jesaja und tröstet – und Johannes wäscht den Menschen gründlich den Kopf.
Der eine verheißt eine neue Welt des Friedens und der Gerechtigkeit und macht Hoffnung – und andere droht mit dem Feuer der Hölle, in dem alles verbrannt wird, was nicht gut ist.
Dort, wo Johannes der Täufer davon spricht, dass die Axt angelegt ist und alles um- und abgehauen wird, was keine Frucht bringt, da kommt Jesaja und verheißt:
Aus einer solchen Wurzel, die eigentlich tot ist, die gar nichts mehr kann, aus der wird ein Reis hervorsprießen und doch noch Frucht bringen.
Wie kann das sein?
Nun, es kommt wohl immer darauf an, zu wem ein Prophet sprechen muss. Es kommt darauf an, wen er vor sich hat – und was Gott dann dem mit auf den Weg geben will.
Johannes trifft bei seinem Dienst in der Wüste auf Pharisäer und Sadduzäer. Auch sie, so sagt das Evangelium, kommen, um sich von ihm taufen zu lassen.
Pharisäer und Sadduzäer sind sehr religiöse und fromme Menschen. Menschen, die es sich nicht leicht machen mit ihrem religiösen Leben. Sie haben ihre vielen Gebote und sie bemühen sich sehr, sie auch möglichst alle zu halten.
Für Johannes gibt es da jedoch ein Problem: Diese frommen Männer sind fest davon überzeugt, dass ihnen am Ende „nichts passieren kann“, weil sie ja Abraham zum Vater haben. Dieser Abraham macht sie zur religiösen Elite.
Und diese Einstellung macht sie im Grunde sehr überheblich, überheblich gegenüber all denen, die eben nicht Abraham zum Vater haben; überheblich gegenüber allen, nicht so fromm und nicht so gut sind wie sie. Überheblich gegenüber all denen, die ihre Probleme mit dem Glauben und mit ihrem Gott haben.
Ja, sie sitzen auf einem hohen Roß.
Und so muss Johannes ihnen sagen: Passt auf, dass ihr am Ende nicht ganz tief fallt. Beruft euch doch nicht dauernd auf Abraham, sondern zeigt Euren Glauben durch euer Leben.
Lebt so, dass Euer Leben Frucht bringt. Lebt so, dass andere etwas davon haben. Und denkt nicht immer nur an euer eigenes Heil, sondern denkt auch an das Heil der Welt – an das Heil, für das ihr Mitverantwortung tragt.
Ja, er muss ihnen den Kopf waschen, damit sie ins Nachdenken kommen - und ihr Leben ändern.
Und der Prophet Jesaja hat so ganz andere Menschen vor sich. Er ist zu einem Volk gesandt, das total am Ende ist. Nach Belagerung und Krieg ist da nur noch ein kleiner Rest übrig geblieben. Nur noch eine „tote Wurzel“.
Ein kümmerlicher Rest, dem alles genommen ist und der alles verloren hat. Was soll da noch kommen? Und dem Volk droht, dass es alle Hoffnung verliert.
Und deshalb soll Jesaja es nun trösten; er soll diesen Leuten Mut machen, er soll diesen kläglichen Rest aufrichten - damit er noch eine Zukunft hat.
Und deshalb lautet seine Botschaft: Habt keine Angst! Gott steht auf eurer Seite. Ein Gott, für den nichts unmöglich ist.
Und Jesaja malt in seiner Vision dieses wagemutige Bild: Aus dieser alten, verdorrten Wurzel wird neues Leben hervorgehen, ein Hoffnungsträger, einer, der Zukunft hat.
Und wenn dieser Sproß dann da ist, dann wird alles anders: Eine neue Welt, in der unglaubliche Dinge möglich sind: der Wolf wird beim Lamm zu Gast sein; Kuh und Löwin freunden sich an und ein Kind, das am meisten Schutz braucht, das wird mit einer Schlange spielen können, einem Tier, das am meisten zu fürchten ist. Denn nicht mehr Angst und Schrecken werden die Welt bestimmen, sondern Frieden und Vertrauen.
Liebe Schwestern und Brüder,
jeder Mensch weiß: So etwas, das können wir Menschen nicht aus selbst heraus erreichen; da wären wir glatt überfordert - da wären wir am Ende, noch bevor wir versucht hätten, damit anzufangen. Das erleben wir ja jeden Tag – leider.
Aber, und das ist die Frohe Botschaft des Jesaja: Die Menschen müssen es gar nicht alleine tun, sondern das tut ein anderer mit ihnen, mit uns und -wenn es sein muss- auch für uns: Das tut Gott.
Denn das will Jesaja letztlich sagen: Er ist doch der Retter. Er ist die Hilfe aus aller Not. Er, Gott, und sonst keiner. Und er ist da für uns.
Liebe Schwestern und Brüder,
zwei Propheten. Zwei Adressaten.
Welcher der Propheten ist heute Morgen wohl zu uns gesandt?
Johannes oder Jesaja? Muss man uns mal wieder den Kopf waschen, damit wir vom hohen Ross heruntersteigen – oder brauchen wir einen, der uns Mut macht?
Sind wir wie die Pharisäer und Sadduzäer? Oder eher Gottes Volk im Dunkel?
Entscheiden müssen wir selbst.
Aber ich vermute, wenn wir ehrlich sind, dann brauchen wir wohl einen wie Jesaja.
Wenn wir schauen, wie oft wir am Ende sind mit unserer Weisheit und wie oft wir erkennen müssen, dass wir uns mal wieder verrannt haben, dass wir schon wieder nicht alles richtig gemacht haben --- dann brauchen wir einen, der uns Mut macht. Da ist wohl Jesaja für uns genau der Richtige.
Und die Botschaft, die er damals für Israel hatte, die gilt heute für uns:
Wann immer wir ohne Hoffnung sind,
wann immer wir heute nicht mehr wissen, wie es morgen weitergehen soll;
wann immer es aussieht als wären wir am Ende – dann dürfen wir wissen:
Da ist ein Gott, der ist stärker als unsere Angst und stärker als unsere Not,
ein Gott, der sich auf unsere Seite stellt und für uns eintritt, der mit uns und für uns kämpft, damit keiner zugrunde geht, sondern jeder Gerechtigkeit und Heil erfährt.
Denn er ist der Retter,
der Retter aller Menschen. Der Gott mit und für uns.
Es ist der Gott, dessen Menschwerdung wir an Weihnachten feiern werden und dessen 2. Ankunft wir erwarten -
und dieser Retter ist uns schon ganz nahe –
so nahe, dass wir sein Wort schon hören können
und er sein Brot schon mit uns teilen kann.
Amen