Predigt von Richard Baus zum 23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Mt 18,15-20

     
Liebe Schwestern und Brüder,

die Zurechtweisung eines Bruders oder einer Schwestern - ein heikles Thema.
Jeder von uns weiß, wie schwierig das ist.
Und dennoch, es ist ein Auftrag unseres Herrn Jesus Christus.

Die Theologen nennen unseren vorliegenden Text eine »Gemeindeordnung«. Und sie zeigt: Auch die junge Christengemeinde damals brauchte eine Ordnung, damit sie in Frieden miteinander leben konnte. Ohne das ging es auch dort nicht immer. Auch sie waren wahrlich nicht alle Heilige. 

Und das Interessante an dieser „Ordnung“ ist: Wenn es da ein Problem mit einem Bruder, einer Schwester gibt, dann soll man da nicht schnell „kurzen Prozess machen“, sondern da soll man mit Geduld rangehen: Von drei Anläufen ist da die Rede; es drei mal versuchen. Nichts einfach übers Knie brechen, sondern Geduld haben – um des anderen Willen. Nicht einfach richten, sondern retten.

Ja, Jesus gibt den Auftrag, dem, der schuldig geworden ist, eine Chance zu geben; so mit einem Menschen umzugehen, der schuldig geworden ist, dass er da wieder rauskommen kann, ohne sein Gesicht zu verlieren. 

Ich habe mich noch mal an eine Geschichte erinnert, die uns vielleicht ein wenig helfen kann, das, was Jesus wohl meint, deutlich zu machen: Es ist die Geschichte von Abt Ammonas aus der alten Mönchsväter-Literatur, die Sie sicher kennen.

Dem Abt Ammonas wird von aufgebrachten Mönchen zugetragen, dass sich in der Zelle eines Mitbruders eine Frau aufhalte. Der Abt muss der Sache natürlich nachgehen und sie machen sich auf den Weg dorthin. Als der Abt mit den anderen besagte Mönchszelle betritt, kann der Mönch die Frau gerade noch in einem Faß verstecken. Ammonas überblickt sofort die Lage; er weiß, was geschehen ist.
Er setzt sich oben auf das Faß und ordnet an, die Zelle gründlich zu untersuchen. Natürlich findet man nichts. Und Ammonas sagt zu den Mönchen: Was es auch war, Gott soll euch allen vergeben!
Er ließ ein Gebet sprechen und schickte alle Mönche hinaus. Dann nahm er den Bruder bei der Hand und ermahnte ihn: Gibt auf dich acht, Bruder. Und nach diesen Worten ging auch er hinaus.

Liebe Gemeinde,
wieviel Taktgefühl hat dieser alte Mann wohl besessen; wieviel Respekt und Liebe gegenüber dem, der ihm doch Bruder ist. Und wieviel Selbstdisziplin, um aus dem Fehler des anderen, nicht noch einen wunderschönen Skandal zu machen, sondern ihm so zu helfen, dass er sein Gesicht wahren und sich weiterhin in der Mönchsgemeinde sehen lassen konnte, ohne dass alle mit dem Finger auf ihn gezeigt hätten.

Die Schuld wird nicht einfach übergangen, nicht einfach unter den Teppich gekehrt, sondern sie wird wahrgenommen.
Aber sie wird vergeben. 

Ich denke, genau das ist es, worum es Jesus geht: Nicht über einen Menschen reden, der was falsch gemacht hat, sondern mit ihm. Nicht abwatschen, sondern zurückzugewinnen; ihn wieder in die Gemeinschaft hineinnehmen, in die Familie, in die Pfarrgemeinde, aus der er herausgefallen war.

Und das geht wohl wirklich nur dann, wenn ich ihn nicht in die Pfanne haue, sondern wenn ich ihm einen Raum gebe, in dem er sich auch ändern kann und eine neue Chance bekommt.
Und das ist manchmal echt Arbeit – für beide Seiten. Und da bedarf es großer Geduld.

Aber was ist, wenn all das nichts nützt? Wenn da einem nicht zu helfen ist, weil er sich stur stellt und nichts in seinem Leben ändern will? Auch das ist der Bibel sehr wohl bekannt.
Dann darf man aber auch mal sagen: Bis hierher und nicht weiter. Dann trennen sich jetzt unsere Wege. Dann ist auch mal Schluss.

Und dennoch, selbst wenn man zu einem solchen Schluss kommt – da muss das aber immer noch nicht das Ende sein.

   
Liebe Schwestern und Brüder,

wo anscheinend nichts mehr geht, da »geht« vielleicht doch noch eins: das fürbittende Gebet.
»Alles, was zwei auf Erden einmütig erbitten, das wird ihnen von meinem Vater im Himmel gewährt.« 

Wo menschliche Zurechtweisung und wo gute Worte nichts mehr bewirken, da ist für uns Christen immer noch das Gebet da, die Fürbitte, so sagt Jesus.
Und das sollte uns als christliche Familien, als christliche Gemeinschaften unterscheiden von allen anderen: Dass wir dann, wenn wir nicht mehr weiterwissen, immer noch beten können.
Wie gut ist das! Denn das befreit uns doch vor dem Wahn, wir müssten alles selbst regeln.
Wir können nicht alles regeln – und wir müssen es auch nicht.

Manchmal ist es einfach besser, selbst den Mund zu halten – und einen Menschen, mit dem wir nicht mehr zurechtkommen, Gott anzuvertrauen, was in der Sprache der Kirche heißt: für ihn beten.
Denn wer gerade betet, der kann wenigstens in dieser Zeit
nichts Dummes sagen, und nichts Falsches und nichts Verletzendes.

Das Gebet einer Familie, einer Gemeinde und einer Gemeinschaft  für den, der sich verrannt hat -- als Hilfe und als unser Dienst an einem anderen.
Denn dieses Gebet hat eine Macht, die über alles andere hinausgeht;
weil dann, wenn wir nicht mehr weiterkönnen – ein anderer dran ist, nämlich Gott. 

Ihm sollten wir diesen Menschen dann anvertrauen und ihm ans Herz legen – im Gebet.

Ob der es dann so macht, wie wir das gerne hätten, das weiß ich nicht. Aber wir haben jedenfalls unser Möglichstes getan.
Und Gott wird es in jedem Fall richtig machen, denn er ist größer als unser Herz und größer als unsere Schuld –
und er weiß oft immer noch einen Weg für einen anderen – und für uns-, an den wir selbst nie gedacht hätten.

   
Amen

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