Predigt von Richard Baus zum 3. Fastensonntag, Lesejahr A

Auch wenn wir in unserer Mutterhauskirche am Sonntag keinen Gottesdienst gefeiert haben, so veröffentlichen wir hier doch die Predigt, die Rektor Baus für den 3. Fastensonntag vorbereitet hatte.
 

Joh 4,5-42

  
Liebe Schwestern und Brüder,

als ich mich bei der Predigtvorbereitung mit den heutigen Evangelium beschäftigt habe, wurde ich noch einmal an den letzten Hirtenbrief unseres Bischofs erinnert, in dem es um eine diakonische Kirchenentwicklung ging. Um eine Kirche also, die sich eben nicht nur mit der Liturgie, also dem Gottesdienst beschäftigt, sondern auch mit der Diakonie, der Caritas, also dem Menschendienst.

Und der Bischof schrieb dort: Eine diakonische Kirche „begibt sich dabei in das ihr selbst Fremde. Sie sucht Begegnung mit Anderen und Anderem und lässt sich davon irritieren, betreffen, inspirieren: Sie lässt sich evangelisieren“.

Ein spannendes Wort. Haben wir nicht sonst immer gehört, dass die Kirche evangelisieren soll, andere evangelisieren soll, damit sich in deren Leben etwas verändert? Aber hier soll sich die Kirche evangelisieren lassen, damit sich in ihrem Leben etwas verändert, damit sie selber weiter und offener werden kann, katholisch werden kann – im Ursinn des Wortes, denn katholisch heißt ja „alles umfassend“, Welt-weit.

Wie gesagt, ich wurde daran erinnert als ich mich diesem Jesus beschäftigte, der genau das tut:

Da lesen wir, dass Jesus sich im Gebiet der Samariter befindet. Auf gut Deutsch heißt das: Im Ausland. Ja mehr noch: Feindesland. Denn dort leben Menschen, die von den Juden als Heiden bezeichnet und sogar beschimpft werden. Als Ungläubige.
Ein frommer Jude geht dort nicht hin. Wer heidnisches Land betritt, der macht sich unrein, d.h. er sündigt.

Aber mit so was hat Jesus anscheinend keine Probleme. Er weiß, es sind nicht die Orte, die einen Menschen unrein machen, sondern rein oder unrein macht das, was in einem Menschen los ist. Was er denkt, wie er handelt und was an Worten aus ihm herauskommt. Und so sucht er die Begegnung mit dem Andern, mit dem Fremden. Vielleicht will er herausfinden, was dort sein Auftrag sein könnte.

Und die Gelegenheit dazu bietet sich sofort. Denn an dem Brunnen, an dem er sich müde in der Mittagshitze ausruhen will, begegnet er dieser Frau, die er um Wasser bittet.  

 
Liebe Schwestern und Brüder,

hier geschieht schon wieder „Unerlaubtes“:
Ein anständiger Rabi, und als solchen dürfen wir Jesus hier sehen, spricht auf der Straße keine fremden Frauen an.
Das gehört sich nicht. Das ist unter seiner Würde.

Und die Tatsache, dass sie am hellen Mittag Wasser holt, müsste ihm auch zu denken geben. Wasserholen, das machen Frauen am Morgen und am Abend, dann wenn es etwas kühler ist. Dann ist Betrieb am Brunnen; dann werden Neuigkeiten ausgetauscht, da wird getratscht und geklatscht.
Dass sie in der Hitze des Mittags kommt, zeigt, dass sie eben niemanden treffen und von niemandem gesehen werden will. Und wir erfahren auch, warum. Sie hat wohl ihre Probleme mit Männern, die ihr wohl der Reihe nach weglaufen. Da braucht sie nicht auch die dummen Bemerkungen von anderen Frauen.

Auch kein Problem für Jesus. Denn ihn interessiert nicht ihre Vergangenheit, sondern vielmehr, dass sie gerade jetzt da ist – und er sich ihr zuwenden kann.
Dass sie für ihn nicht eine Heidin ist, sondern ein Mensch. Niemand, die er verachten müsste, weil sie einen anderen Glauben hat, sondern eine Frau, die Gottes Geschöpf ist – und deshalb einen Wert hat, Wert und Würde.

Ja, wieder hält sich Jesus nicht an die Vorschriften, zu denen seine Religion ihm eigentlich verpflichtet, sondern er überschreitet sie. Er sucht das Gespräch mit dieser Frau. Denn Fremde kann man nur kennenlernen, wenn man mit ihnen spricht. Fremdes kann sich einem nur erschließen, wenn man sich damit beschäftigt.
Und so kommt Jesus mit dieser Frau ins Gespräch – und sie sprechen über alltägliche Dinge, wie dieses Wasser und den Brunnen – und dann auch über Gott. Über die unterschiedlichen Vorstellungen, die Juden und Samariter von Gott haben – und wie und wo man beten kann. 

Ja, die beiden führen einen „interreligiöser Dialog“ wie wir das heute nennen würden – und sie lernen einander kennen und schätzen. Ein Glaubensgespräch – mitten auf der Straße. Ein Gespräch, das so vieles verändert und verwandelt, dass Neues möglich wird.
Und Jesus kann dieser Frau, die er eigentlich übersehen müsste, die er eigentlich links liegen lassen müsste, wegen ihrer anderen Religion, im Gespräch so nahe sein, dass sie in ihm den Messias erkennt – den, der Menschen Hoffnung machen und Heil bringen kann.

Einen Messias, der größer ist als Religionen und dessen Interesse am Heil der Menschen weiter ist als alle Grenzen, die die Religionen ihrem Gott so gerne setzen – weil sie meinen, sie müssten Gott „schützen“; schützen vor all dem, was anders ist als sie selbst und was ihnen fremd bleibt, weil sie sich nicht damit beschäftigen,  weil sie sich nicht „irritieren und nicht evangelisieren lassen“ wollen.

Und wie oft steht da einfach nur Angst dahinter. Die Angst, man müsste sich vielleicht ändern; man müsste jahrhundertalte Standpunkte verlassen und eine neue Perspektive einnehmen.
Religionen werden leider immer mal lieber enger als weiter; und die Traditionen sind ihnen lieber als der Wandel.
Aber Jesus offensichtlich nicht. Denn bei ihm ist das Herz wohl wichtiger als ein Gesetz. Und die Liebe mächtiger als die Vorschriften.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

was wäre wohl geschehen, wenn alle dort geblieben wären, wie es sich gehört hätte???? Die Juden bei den Juden, die Samariter bei den Samaritern, die Frauen bei den Frauen und die Männer bei den Männern?
Wohl nichts. Gar nichts! Alles wäre beim Alten geblieben, beim Status quo.

Aber Gott sei Dank ist da dieser Jesus, der alle Grenzen seiner Religion und des sogenannten „Anstandes“ einfach überschreitet – und damit eine ganze Welt verändert. Denn genau dort geschieht Heil.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

wenn so etwas in unserer heiligen Schrift steht, dann steht das sicher nicht nur dort, damit wir Jesus nur bewundern, sondern sicher auch, dass wir von diesem Jesus lernen-

Dass wir von Jesus lernen, uns nicht aufhalten zu lassen von irgendwelchen Vorschriften und Traditionen, wenn es darum geht, Heil zu wirken -  Leben zu verändern, positiv zu verändern.

Dass wir von Jesus lernen, niemanden auszuschließen vom Heil – nur weil der Glaube des anderen nicht genau so ist wie unserer – und weil der in Lebensumständen lebt, die uns vielleicht fremd sind.
Lernen, das zu tun, was jetzt dran ist, auch wenn man andernorts vielleicht die Hände über dem Kopf zusammenschlägt.

Und wir haben ja, Gott sei Dank, im Moment einen Papst, der das wohl ähnlich sieht.
Einen Papst, der die Vorschriften kennt, aber genau so gut auch seine Hl. Schrift. Und der deshalb weiß, dass mit dem Geist des Herrn, und mit dessen lebendiger und liebevoller Hilfe viel mehr möglich ist als durch bloße Gesetze.

Und er weiß auch, dass eine Kirche mit Beulen und Schrammen besser ist als eine, an die vor lauter Angst, etwas falsch zu machen, lieber gar nichts tut, sondern alles beim Alten belässt.

Und deshalb traut er der Kirche zu, dass sie handelt, nicht nur nach Vorschriften und Weisungen, sondern auch nach bestem Gewissen Gott gegenüber und mit ganz viel Liebe den Menschen gegenüber. Und diese Kirche, das sind WIR. Wer sonst?

 
Liebe Schwestern und Brüder,

die österliche Bußzeit lädt uns ein zur Besinnung. Und sicher auch zur Besinnung darüber, wie unser Glaube ist. Ist er wie Wasser aus der Zisterne, mit dem man  halt überleben kann?
Oder ist unser Glaube wie jenes lebendige Wasser, das vom Herrn kommt, das Freude macht und das den Lebens-Durst stillt? 

Führen wir bei Begegnungen nur Gespräche über das Wetter oder trauen wir uns auch mal an ein Glaubensgespräch? Auch mit Andersdenkenden, Andersgläubigen und sogenannten Ausländern?

Sind wir einfach nur „brave“ und „ordentliche“ Christen, die niemanden stören, oder geben wir auch schon mal ein Glaubens-Zeugnis. Und zwar Zeugnis von einem eigenen lebendigen Glauben – wenn es sein muss mitten auf der Straße?

Eingeladen sind wir dazu – von unserem Herrn.
Und damit wir es können, hat er uns seinen Geist geschenkt.

Nur tun müssen wir es schon selbst.

 
Amen

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