Predigt von Richard Baus zum Fest Allerheiligen, Lesejahr A

Mt 5,1-12a

   
Liebe Schwestern und Brüder,

der englische Schriftsteller Graham Greene hat einen Roman geschrieben mit dem Titel „Die Kraft und die Herrlichkeit“. Da wird von einem Priester erzählt, der in Mexiko während einer Christenverfolgung sein Amt versieht; seine Mitbrüder sind getötet worden, geflohen oder haben ihrem Glauben abgeschworen. Er kann sich versteckt halten und arbeitet im Untergrund, wo er die Messe feiert, Kinder tauft und Beichten hört.
Als die Regierung auf ihn eine Kopfprämie aussetzt, wird die Lage noch komplizierter --- und der sinkt unter dieser Problematik immer tiefer; seine Liebe zum Alkohol wird immer größer – und da sind auch noch andere Schatten in seinem Leben.
Sein Ansehen beginnt bei den Menschen zu sinken, denn er riecht nach Schnaps und er ist auch sonst keine Zierde für die Kirche --- und dennoch: so viele, die selbst in Not sind, freuen sich, wenn er kommt, wenn er an ihnen und für sie seinen Dienst verrichtet.

Schließlich wird der „Schnapspriester“, wie man ihn inzwischen nennt, in eine gefährlich Gegend gerufen zu einem Sterbenden.
Er weiß sehr wohl um die Gefahr; er weiß, dass er sein Leben aufs Spiel setzt, aber er geht, weil es seine Pflicht ist und weil er seinem Auftrag treu bleiben will --- und er tappt in die Falle, die man ihm gestellt hat. Er wird gefangen und wenige Tage später erschossen.
Am Morgen seiner Hinrichtung kauert er in einer Ecke und betet ein Reuegebet - grenzenlos enttäuscht von sich selbst, weil er mit anscheinend leeren Händen vor Gott hintreten soll.

   
Liebe Schwestern und Brüder,

mal ehrlich: Ob die offizielle Kirche einen solchen Menschen selig und heilig sprechen würde?! Bei einem solchen Lebenswandel und mit solchen Flecken auf der weißen Weste? Schwer vorstellbar. Aber ist er deshalb nicht doch heilig??????

Vielleicht sind ja bei der Feier von Aller-Heiligen genau alle diese Menschen mitgemeint, die nie ein Papst heilig sprechen würde – weil sie in ihrem Leben nie ein Wunder gewirkt haben, weil sie nie ein besonderes Bild der Vollkommenheit waren, mit dem man hätte renommieren können ---- aber die doch, neben all ihren Fehlern und Schwächen, auch ihre guten Seiten hatten; 
Menschen, die doch wenigstens versucht haben, die Botschaft Jesu zu leben --- und wenn es auch nur in einem einzigen Punkt war, an dem es gelungen ist und sie für einen anderen zum Segen geworden sind.

     
Liebe Schwestern und Brüder,

wenn es um Heilige geht, dann schauen so gerne auf das Außergewöhnliche: auf Wunder, auf Begebenheiten, die das Normale übersteigen, auf das Über-Natürliche ----
----- aber wir Menschen sind doch für das „Normale“ geschaffen. Und unser Christsein besteht ja wohl eben nicht im „Unnormalen“, sondern doch wohl darin, das „Normale zu leben“ und es im Glauben an Gott treu, und aus Liebe zu den Menschen halbwegs gut zu erfüllen. So zu erfüllen, dass durch uns wenigstens ein bisschen mehr Liebe in die Welt kommen kann.

Und genau diese Menschen, die das versucht und getan haben, die feiern wir heute – ZUSAMMEN mit den spektakulären und großen Heiligen. 
Da feiern wir die Heilige Elisabeth aber genauso auch die Frau, die jahrelang ihre kranken Eltern oder Schweigereltern gepflegt hat – ohne jedes Wunder, aber mit ganz viel Hingabe, mit Ausdauer und Herzlichkeit.

Da feiern wir den Hl. Franziskus – aber auch genauso den Mann, der in eine Welt hineingeboren wurde, in der er immer nur die Schattenseiten kennen gelernt hat;  in der er für gar nichts anderes auch nur eine Chance gehabt hätte --- der aber trotzdem nicht verbittert ist, und der sich immer noch um den Frieden bemüht hat – dort wo er lebte.

Da feiern wir die Mutter Gottes – aber auch all die anderen Mütter und Väter, die für ihre Familien getan haben, was ihnen möglich war, um das Not-wendige zu tun: Das, was Not wendet und Leben möglich macht; Menschen, die da waren, wenn man sie gebraucht hat --- und die sich und den Menschen, die ihnen anvertraut waren, treu geblieben sind.....
Ohne Wunder, ohne Aufsehen, ohne die Naturgesetze außer Kraft gesetzt zu haben – einfach aus Liebe und Pflichtbewußtsein --- und ohne dauernd auf sich selbst zu schauen.

Und wir feiern sicher auch die Menschen, die sich vielleicht tatsächlich ihre weiße Weste nicht bewahren konnten --- aber die sich trotz allem ein Herz bewahrt haben, ein Herz für die anderen – und für Gott.

Zu ihnen gehört vielleicht auch jene Frau, die Alexander Solchenizyn beschrieben hat: Unverstanden, alleingelassen, sogar von ihrem Mann, hatte sie sechs Kinder begraben, ihr hilfsbereites Wesen aber nicht eingebüßt.
Sie war eine lächerliche Person, dumm genug, für andere ohne Entgeld zu arbeiten.
Am Ende ihres Lebens hatte sie keinen Besitz erspart.... nur eine schmutzige Ziege, eine lahme Katze und ein paar Gummibäume.
Wir haben neben ihr gelebt -- und nicht begriffen, dass sie jene Gerechte war, ohne die kein Dorf bestehen kann. Und keine Stadt. Und nicht unser ganzes Land“.

Welch wunderschöner Gedanke: Heilige sind Menschen, ohne die eine Gemeinschaft nicht bestehen kann, weil ihnen sonst etwas ganz Wichtiges fehlen würde.

Menschen, die sich und ihr Leben so einbringen, dass daraus ein Stück Hilfe, ein Stück Liebe – und somit Heil erwächst für die Welt ----
Weil sie barmherzig sind, wo so viele andere unbarmherzig sind.
Weil sie  Frieden stiften, wo alle anderen immer nur Unfrieden stiften.
Weil sie nicht mit Gewalt handeln, um Macht zu haben, sondern aus Liebe, weil sie dienen wollen.

Und die genau damit ein Stück von Gott transparent und erfahrbar gemacht haben, das unsere Welt aufatmen und hoffen lässt.
Nichts Außergewöhnliches, nichts Großartiges und zweimal nichts  Wunderliches, sondern das normale Leben – aber ein Leben mit ganz viel Liebe.

   
Liebe Schwestern und Brüder,

ja, unsere Heilige, das sind Menschen, die sich anstecken lassen von diesem barmherzigen und liebevollen Jesus, der sich eben nicht auf die Seite der Mächtigen schlägt, sondern immer auf die Seite der Schwachen;
der nicht mit den Siegern und Gewinnern aufs Foto will, sondern mit den Verlierern und den Zukurzgekommenen.

Und dessen Herz nicht beim Anblick der Schönen und Erfolgreichen höher schlägt, sondern dessen Herz besonders für die Kleinen und Schwachen schlägt.
Und der die in die Mitte stellt, die die anderen schon längst an den Rand gedrängt haben.

Eine Heiligkeit, die sicher ganz wenig mit überhöhter Frömmigkeit zu tun hat, und überhaupt nichts mit radikaler Sündlosigkeit oder übernatürlicher Reinheit, wie so manche weltfernen Geister sich das so wünschen; aber dafür ganz viel mit Liebe, mit Barmherzigkeit und Geduld, mit Bereitschaft zum Teilen und Schenken und Verzeihen -

auch wenn man sich dabei mal, wie der Papst es einmal sinngemäß formuliert hat, die Hände schmutzig macht und wenn die Karosserie der Kirche mal ein paar Beulen abbekommt.

Hauptsache, durch einen Menschen ist ein bisschen mehr Liebe, ein bisschen mehr Barmherzigkeit und ein bisschen mehr Frieden in die Welt gekommen.

Und dann ist er mit Sicherheit ein Heiliger.

    
Amen

 

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