Predigt von Richard Baus zum 4. Ostersonntag, Lesejahr C

„Ich bin der gute Hirte, meine Schafe hören meine Stimme. Ich kenne sie. Ich gebe ihnen das ewige Leben.“

 
Liebe Schwestern und Brüder,

das ist die wohltuende Zusage des heutigen Evangeliums – am sogenannten „Sonntag des guten Hirten“.

 

 

In einer evangelischen Radioansprache habe ich vor kurzem gehört, was gutes Hüten ausmacht: Es gibt zwei Formen des Hütens, so hieß es dort. Einmal gibt es das enge Gehüt: Da will man als Hirte die Schafe beieinander halten. Wenn schlechtes Wetter ist zum Beispiel; oder bevor man mit der Herde eine gefährliche Straße überqueren muss. Bei diesem enge Gehüt kann der Hirte die Herde besser überblicken und führen. Aber das macht ein guter Hirte auch wirklich nur dann.
Ansonsten gilt das weite Gehüt: Dann, wenn eine große Fläche zum Weiden da ist. Dann lässt der Hirte die Schafe „weit gehen“, das heißt: er lässt sie laufen, damit sie sich frei bewegen können und sich das Futter suchen können, das ihnen schmeckt.

Beim weiten Gehüt geht der Hirte nicht dauernd vorneweg, sondern ganz gelassen mitten drin, denn der Hirte weiß: Die Herde ist nicht dumm. Er kann ihr vertrauen.
Mal ein Pfiff, wenn es zu weit auseinandergeht; mal eine Schaufel Erde, wenn es aus der Richtung geht – aber nie auf ein Tier drauf, sondern immer daneben. Und dann sind ja auch noch die Hunde da. Aber die sind auch nicht da, damit sie dauernd die Schafe anbellen und auf Trab zu halten, sondern um sie vor Eindringlingen zu schützen.
Und in dieser Andacht sagte der evangelische Kollege:  Ich würde mal sagen: Gott ist der, der das weite Gehüt bevorzugt.

  
Liebe Schwestern und Brüder,

ich kann mich dieser Einschätzung nur voll und ganz anschließen. Gott ist in der Tat der, der das weite Gehüt bevorzugt.
Ja, Gott lässt uns frei gehen. Gott schenkt uns Freiheit. Gott treibt uns nicht in die Enge, sondern er führt uns liebevoll hinaus ins Weite, dorthin wo Leben möglich ist. 

Denn dieser Gott weiß: Das Leben spielt sich nun mal nicht in den Ställen ab, sondern auf der Weide; nicht in der Enge, sondern in der Weite.
Und so traut Gott uns etwas zu - nämlich Freiheit.
Und ich muss keine Angst vor dieser Freiheit haben, denn der Hirte ist gut. Er will mein Bestes. Er ist ja bei mir. Und für mich tut er alles.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

die Kirche begeht heute den Weltgebetstag für geistliche Berufe:
Damit es auch in unserer Kirche Hirten gibt. Gute Hirten. Menschen, die ein Herz haben für die Herde unseres Herrn. Menschen, denen es nicht ums Herrschen geht, sondern ums Leiten und Führen.
Menschen, die sich in erster Linie nicht um sich selbst sorgen, sondern um „die anderen“, um die Herde.

Natürlich sind solche „Berufe“, und da denke ich jetzt nicht nur an Priester, sondern auch an Ordensfrauen und Ordensmänner, an Diakone, an Seelsorgerinnen und Seelsorger in den anderen Berufen der Kirche, nicht einfach „machbar“.
Sondern letztlich sind sie Geschenk; Geschenk des einen Guten Hirten Jesus Christus an seine Herde von heute.
Und um dieses Geschenk wollen wir heute in besonderer Weise beten.

Aber ich denke, es genügt nicht, einfach nur dafür zu beten. Denn wir können dieses Anliegen nicht alleine Gott in die Schuhe schieben. Sondern dieses „Problem“ muss auch „unser Problem“ sein. Da haben wir auch eine Verantwortung.

Denn Hirten und Hirtinnen, die fallen doch nicht einfach vom Himmel herunter, sondern die müssen „wachsen“-- in Familien und Gemeinden.
Und Menschen, die einmal Hirtinnen und Hirten sein sollen, die müssen gute Vorbilder dafür erleben – unter uns: Unter den Eltern in den Familien, im Kindergarten, in der Schule und in unseren Kirchengemeinden.

Und da müssen wir uns schon mal die Frage stellen: Von welcher Art sind Wir denn – als Familie, als Gemeinde, als Kirche? Sind wir zu Hause Enghüter oder Weithüter?
Tun wir dort, wo wir leben und arbeiten, den anderen gut – oder leiden andere unter uns?

Und wie sind WIR hier als Kirche? Sind wir liebenswürdig – oder doch eher hochwürdig? Kann man bei uns Weite atmen – oder bekommt man bei uns vor lauter Enge keine Luft? Schauen wir nur auf die Erfolgreichen und Starken – oder haben wir unter uns auch Platz für Gescheiterte, für Schwache und für Kleine?

  
Liebe Schwestern und Brüder,

wir sind Kirche. Und wie WIR sind, so ist dann auch unsere Kirche – und so werden dann wohl auch mal unsere Hirtinnen und Hirten sein.

Und das Schlimmste wäre, dass bei uns gar keiner mehr hüten will, weil wir als Kirche so belanglos und bedeutungslos geworden sind, dass wir keinen Menschen mehr interessieren.

Und deshalb denke ich, es ist gut, dass wir uns als Kirche heute noch einmal sehr bewusst diesen Jesus von Augen halten  – diesen guten Hirten mit seiner ganzen Liebe und Barmherzigkeit zu uns.
Dass wir noch einmal bewusst auf seine Stimme hören, die uns ruft und lockt – und die einlädt, ihm zu folgen. Weil ER doch weiß, wo das Leben ist – und wie man dort hinkommt.

Aber vielleicht müssen wir uns vor allem ja selbst noch einmal in die Arme nehmen lassen – und nachspüren, wie gut es tut, einen solchen Hirten zu haben, einen liebevollen und barmherzigen Hirten:
Einen, der uns nicht antreibt und hetzt, sondern zur Ruhe führt am Wasser. Einen, der nicht der große Richter, sondern unser Retter sein will. Der das weite Gehüt liebt – und der uns diese Weite auch immer wieder schenkt.

Und wenn wir dann versuchen, selbst auch mal so zu sein – zu uns selbst und zu den anderen….
vielleicht verändert sich ja dann was --- an uns, --- an unseren Familien, --- in unseren Gemeinschaften – und dann auch in unserer Kirche. Vielleicht werden wir ja auch selbst liebevoller und barmherziger – und lebens-freudiger.

Und vielleicht hätten wir dann das Klima, das nötig ist, damit das wachsen kann, was wir heute so dringend brauchen:
Gute Hirtinnen und Hirten, Menschen, die andere zum Leben führen - in unseren Familien und in unserer Kirche.

 
Amen

 

 

Die Bilder vom „engen und weiten Gehüt“ verdanke ich der Andacht „angesprochen und behütet“ von Wolf-Dieter Steinemann, Ettlingen, Evangelische Kirche. SWR 1 am 5. Mai 2019.

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