Predigt von Richard Baus zum 1. Weihnachtstag, Lesejahr B

Joh 1,1-5.9-14

 
Er war in der Welt – aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum – aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

an diesen Worten in diesem Abschnitt des Johannes-Evangelium bleibe ich irgendwie immer hängen.

Er war – aber.  Er kam – aber. Welche Tragik klingt da mit! Da hat einer es gut gemeint, da hat einer alles getan, um alles zum Guten zu führen – aber die, für die er es getan hat, die Seinen, sie nehmen es nicht an. Sie erkennen ihn nicht.  Warum nicht?

Vielleicht, weil es so anders ist, als sie es sich vorgestellt haben.

Ich muss da immer an die Gerichtsszene aus dem Matthäus-Evangelium denken. Die Stelle, an der die auf der linken Seite sagen: Herr, wann haben wir denn DICH gesehen – und wir hätten DIR nicht geholfen. Das kann doch gar nicht sein! Das hätten wir doch nie und nimmer getan. Für Dich, Herr, hätten wir doch alles getan.

Doch, antwortet der Herr, ich war bei euch – in den Hungernden und Dürstenden, in den Nackten und Gefangen, in denen, die Hilfe und Unterstützung nötig haben. Ihr habt mich nicht erkannt.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

Gott nicht erkennen, weil wir falsche Vorstellungen von Gott haben.
Gott nicht aufzunehmen, weil wir ihn uns anders vorgestellt haben.

Und die Gefahr, dass es uns genau so geht, ist groß. Denn wir haben ja auch so unsere Vorstellungen.

Ein Pfarrer aus München, der schon mal durch ungewöhnliche Predigten auffällt, soll unlängst in einer Predigt gesagt haben: Am 11. November haben wir einen römischen Hauptmann gefeiert, der aus Ungarn stammt, den hl. Martin, am 6. Dezember einen türkischen Bischof, den hl. Nikolaus, am 8. Dezember ein jüdisches Mädchen, das in einer ganz besonderen Beziehung zu Gott steht – das Fest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria -, am 24. Dezember einen unehelichen Buben, der in einem Stall geboren wird, und am 6. Januar feiern wir ein paar komische Vögel aus Fernost, Magier oder -ganz fromm- Heilige Drei Könige genannt, vermutlich religiös seltsame Typen aus dem Irak oder dem Iran oder von noch weiter her. Und dann stellen Sie sich einmal vor: Diese ganze Truppe steht irgendwann an der deutschen Grenze. Würden unsere Polizisten die hereinlassen?

Stellen Sie sich vor, die würden vor Ihrer Kirchentüre stehen – oder vor Ihrer Haustür….. Was dann?

Ob es Gott nicht tatsächlich oft genug auch so geht? Die Seinen nehmen ihn nicht auf – weil sie meinen, er müsste anders aussehen, anders daherkommen:

Mächtiger und prächtiger – und dann kommt als Mensch, als Kind, als Kind armer Leute.
Gott müsste ganz oben sein, auf dem hohen Ross – und dann liegt er ganz tief unten in einer Krippe.
In einem Palast, weil er doch König ist – und dann wird er in einem Stall geboren….

 
Ja, es ist schwer zu glauben: Gott wird ein Mensch. „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“, hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen – wie es richtig übersetzt heißen muss. Gott nimmt unsere Daseinsart an, unsere Endlichkeit, unsere Ohnmacht, unsere Zerbrechlichkeit – damit wir ihn erkennen können.
Und er will nicht, dass wir vor Ehrfurcht auf die Knie fallen, weil er so groß und mächtig und über uns  ist, sondern er will, dass wir vor Liebe und Freude auf die Knie fallen, weil er so ganz bei uns hier unten ist, mitten unter uns.

Er macht sich so klein, damit wir ihn erkennen können. Und er macht sich so menschlich, damit wir Menschen ihn auch aufnehmen und annehmen können. Aber nehmen wir ihn auf?

 
„Wohl dem, der an mir keinen Anstoß nimmt“, so sagt Jesus im Matthäus-Evangelium – als Johannes der Täufer mit dem, was er sagt und tut nicht mehr mit ihm zurechtkommt und fragen lässt: Bist du der, der da kommen soll? Oder müssen wir auf einen anderen warten?

Selig, wer keinen Anstoß daran nimmt, dass ich so anders bin als ihr es euch gedacht habt:
Liebevoller und gütiger als so manche Theologen es geschrieben und verkündet haben.
Viel, viel barmherziger als so mancher Dogmatiker es sich je hätte vorstellen können.

Und nicht nur der Freund der Frommen und der Gerechten, sondern viel mehr noch der Freunde der Sünder und der „Verlorenen“.

Der Freund all derer, denen er Retter und Heiland sein will, denen er Retter und Heiland sein „MUSS“, weil sie ohne ihn schon längst am Ende wären.

 
„Allen aber, die ihn aufnehmen“, allen, die es nicht nur aushalten, dass Gott oft so anders ist als sie es sich gedacht und vorgestellt haben, sondern die sich darüber freuen können,
die sich darüber freuen können, dass Gott ihnen genau damit entgegenkommt, sich in ihr Fleisch und in ihre DNA einbetten will, so dass er auch in ihnen Mensch werden kann,
all „denen gibt er Macht, selbst Kinder Gottes zu werden“,
auch so zu werden wie er ist: Liebevoll und barmherzig, menschenfreundlich und gütig, entgegenkommend und heilsam – eben göttlich.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

unsere Weihnachtsgeschichte heiß zwar Geschichte, aber sie ist kein Märchen, sondern sie ist die Wahrheit.
Eine Wahrheit, die fortdauert. Auch heute. Und an die wir glauben dürfen.

Und diese Wahrheit sagt:
Gott kommt als Kind in unsere Welt – auch heute.
Gott macht sich klein und schwach – auch heute.
Gott will sich finden lassen von uns und zwar in dem, was uns am nächsten ist: in unserem Menschsein – auch heute.

 
Susanne Ruschmann hat es in einem Text so formuliert:

Ich glaube an den kleinen Gott
der nicht durch hohe Pforten Einzug hielt
nicht königsgleich durch weite Tore schritt
sondern durch das schäbige Gatter eines Stalls
und zwischen den staubigen Ritzen eines Holzverschlags
in unsere Welt schlüpfte

ich glaube an den Gott im Futtertrog
den ein unverheiratetes armes Mädchen
zwischen Strohballen und Viehgestank
fern ihrer Heimat
unter Schmerzen zur Welt brachte
blutig und nackt

………

ich glaube an den Gott von unten
der immer noch ankommen will
im Morast unseres Alltags
in den finsteren Winkeln unserer Herzen
der sich einnisten will
in den leeren Trögen unserer Sehnsucht
zwischen den geknickten Strohhalmen
unserer Hoffnungslosigkeit

ich glaube an den kleinen Gott
der noch immer
wehrlos, zerbrechlich und bloß
Jahr für Jahr neu geboren
sich uns
in die bergenden Arme legt.

(Susanne Ruschmann)

 

Und dieser Gott ist den Menschen treu – auch heute,
auch uns und der ganzen Welt.
Und er will, dass wir ihn aufnehmen – so wie er ist.

Amen

 
(Zu meiner Predigt haben mich Ausführungen und Gedanken von Klaus E. Müller inspiriert, die im „Dienst am Wort“, 2017/8, erschienen sind.)

 

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