Predigt von Richard Baus zum 13. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B

Mk 5,21-24.35b-43 - Kurzfassung

 
Liebe Schwestern und Brüder,

da hat uns der Evangelist Markus einen Wunderbericht vorgelegt. Eine Totenerweckung. Aber im Grunde ist es mehr als nur ein Bericht, es ist zugleich eine Lehr-Erzählung: Die Geschichte der Tochter des Jairus.

Um sie richtig verstehen zu können, muss man wissen, dass im damaligen Israel ein Mädchen mit zwölf Jahren als erwachsen und heiratsfähig galt – alt genug, ein eigenes Leben zu führen. Und genau da, an dieser Schwelle zum eigenen Leben, da scheitert dieses Mädchen, es wird krank - und stirbt. Es kommt nicht zum Leben, zumindest nicht zu seinem eigenen Leben.

Woran das Mädchen leidet, eine Krankheit, wird uns nicht ausdrücklich erzählt – aber wir können es ahnen ---- wir müssen nur genau hinsehen und hinhören.

Der Vater ist Synagogenvorsteher, eine angesehene Position in der Stadt – eine Aufgabe mit Verantwortung. In einer solchen Position steht man immer im Blickpunkt ----- und da ist es sicher nicht einfach, Tochter zu sein: Wie oft wird man ihr gesagt haben, was sie alles darf. Und vor allem, was sie nicht darf. Wie oft wird man sie darauf aufmerksam gemacht haben, was sie schon wieder falsch gemacht hat – und dass sich so was nicht gehört. Denn einen Skandal kann man sich in einer Familie nicht leisten.

Und vielleicht ist ihnen auch aufgefallen, dass dieses Mädchen überhaupt keinen eigenen Namen hat? Sie ist wohl immer nur „die Tochter des Jairus“. Der Vater ist so viel entscheidender als sie selbst.

 
Nun, liebe Schwestern und Brüder,

kann so was nicht tatsächlich mutlos machen, krank machen – so dass man am Ende gar keine Lust mehr und keine Freude mehr hat zu leben??

Für dieses Mädchen gab es wohl keine Möglichkeiten mehr, sich nach den eigenen Vorstellungen zu entwickeln und zu entfalten...... keine Möglichkeiten mehr, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen ---

sondern alles war wohl schon fix und fertig --- und immer mit dem Bedacht darauf, was wohl „die Leute“ sagen.
Denn sicher sollte sie ein ordentliches und braves Mädchen sein, das seinen Eltern Freude macht und auf das sie stolz sein können.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

das ist nicht Neues. Immer wieder werden Menschen am eigenen Leben gehindert, --- weil andere sie festhalten --- mit ihren festgefügten Erwartungen. „Du sollst was ganz besonders werden!“ so sagen sie.
Wie oft werden Menschen an der eignen Entwicklung gehindert, weil andere es doch anscheinend so gut mit ihnen meinen: „Du sollst es einmal besser haben als wir,---- und deshalb musst du jetzt alles so machen, wie wir dir das sagen.
Und wenn nicht, dann machst du uns Kummer, dann sind wir traurig – und das willst du doch nicht!“

Und das, was wirklich in dem jungen Menschen drin steckt, was Gott dort hineingelegt hat, damit es wachsen und stark werden kann, das kommt überhaupt nicht zum Leben, das kann nicht aufblühen
und darf sich nicht entwickeln – weil „die anderen“ es ja anders wollen, weil andere so andere Vorstellungen davon haben, was aus einem Kind einmal werden soll ------- und so stirbt es langsam vor
sich hin - denn das ist kein Leben.

Gott sei Dank sucht dieser Vater Hilfe von außen. „Professionelle Hilfe“, wie wir heute sagen würden. Und bei Jesus ist er an der richtigen Stelle.
Da steht ein so wunderschöner Satz: Jesus ging mit ihm. (Weil Gott immer da ist und immer mit geht).
Ja, Jesus begleitet ihn - und er sagt ihm damit: Fürchte dich nicht. Glaube nur! Ich bin da.

Dieser Jesus lässt den Vater nicht allein mit seinem Problem. Aber er gibt ihm nicht einfach nur einen guten Rat aus der Ferne – und zwei Mal macht er ihm keine Vorwürfe über das, was schief gelaufen ist,
sondern er geht mit, mit in einen Prozess hinein - und damit hilft er diesem Mann.

Diese Hilfe geschieht sehr praktisch und handfest:
Zunächst einmal wirft Jesus all die hinaus, die da so viel Lärm und Geschrei machen. Es sind die, auf die man immer Rücksicht nehmen muss – und die ja immer wissen, was für die anderen gut ist.
Und dann geht er mit den Eltern zu diesem toten Mädchen, damit sie es anschauen – so wie es ist. Ohne die Erwartungen der anderen, ohne das Gerede der anderen – damit sie entdecken, dass das Mädchen daran gestorben ist, dass es nicht selbst leben durfte.

Aber Jesus bleibt nicht dabei stehen, den Eltern die Augen neu zu öffnen, sondern er geht noch einen Schritt weiter - er hilft auch diesem Mädchen, dessen Leben dort wie tot ist - dessen Leben schläft.

Dazu braucht Jesus keine magischen Zaubersprüche, keinen Hokuspokus, sondern er nimmt dieses Mädchen ganz einfach bei der Hand und spricht es an:
Mädchen, ich sage dir, steh auf!

 
Liebe Schwestern und Brüder,

jemanden so ansprechen, dass er wieder aufhorchen kann.
Jemanden so bei der Hand nehmen, dass er wieder Mut bekommt, Lebensmut ----
Jemanden so behandeln und aufrichten, dass er sich traut, sich auf die eigenen Beine zu stellen und eigenständig umher zu gehen --- weil da jemand ist, der ihm das zutraut –
einer der will, dass ich ab jetzt nicht mehr das Leben der anderen zu führen habe, sondern mein eigenes Leben führen darf….
Was kann da nicht alles mit einemmal anders werden?!

Dass da einer ist, der diesem Mädchen sagt, dass es ab jetzt nicht mehr dazu da ist, die Wünsche und Träume der anderen zu erfüllen,
sondern seine eigenen ---
das eigene Leben und die eigenen Träume zu leben.
Darin besteht dieses Wunder.

 
Liebe Schwestern und Brüder,

diese Geschichte erzählt uns ganz viel von der Seelsorge Jesu – von der Pastoral unseres Gottes mit uns.
Und die besteht darin, uns Menschen auf die eigenen Beine zu stellen; uns Menschen zum eigenen Leben hin zu führen.
Nicht immer nur die Wünsche der anderen erfüllen zu müssen, sondern nach unseren eigenen Wünschen schauen zu dürfen, damit das Leben in uns groß werden kann, das Gott in uns hineingelegt
hat – das Leben, zu dem er uns berufen hat –
damit wir glücklich als Menschen leben können – und nicht am Leben zugrunde gehen müssen – an einem Leben, das die anderen sich für uns so gerne ausdenken.

Eine Lehrgeschichte für Eltern - die sicher wissen, wie schwer das sein kann, ein heranwachsendes Kind zu haben.
Aber auch eine Lehrgeschichte für Ehepartner und Freundespaare und auch für Obere und Oberinnen- eben für alle, die in der Gefahr stehen, das Leben der anderen planen und bestimmen zu wollen - um so endlich ihre eigenen Träume umsetzen zu können....nur halt im Leben der anderen.
Aber genau das will Gott nicht.

Wo ist unser Platz in dieser Geschichte?????
Sagt man uns auch immer, was wir zu tun oder zu lassen haben?
Oder sagen wir vielleicht immer den anderen, was sie noch besser machen könnten?
Oder können wir schon die anderen an der Hand nehmen und ihnen sagen: Steh auf, trau dich! Ich begleite dich.
Vielleicht ist das ja auch heute mal so – und morgen wieder anders.

Aber auf jeden Fall sagt Jesus zu jeder und jedem von uns:
Steh auf! Ich will, dass Du Du bist.
Ich will, dass du lebst – und zwar Dein Leben -- das Leben, das Gott Dir geschenkt hat.

 
Amen

Unser Newsletter

Melden Sie sich jetzt zu unserem Newsletter an und erfahren Sie immer das Neuste über Projekte, Angebote und Wissenswertes zu unserer Gemeinschaft.

Diese Webseite verwendet Cookies.

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren. Diese Cookies helfen uns dabei, Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten und unsere Webseite ständig zu verbessern. Mit dem Klick auf den Button “Akzeptieren” erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Für weitere Informationen über die Nutzung von Cookies oder für die Änderung Ihrer Einstellungen klicken Sie bitte auf “Details”.

Sie geben Ihre Einwilligung, wenn Sie unsere Webseite weiterhin nutzen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzhinweis.

Impressum