Predigt von Richard Baus zum 30. Sonntag im Jahreskreis, Weltmissionssonntag, Lesejahr B

Markus 10,46-52

 
Liebe Schwestern und Brüder,

diese anrührende Bartimäus-Geschichte kennen wir sicher alle von Kindheit an. Eine Wundergeschichte: Jesus heilt einen Blinden. Jesus macht einen Menschen gesund, so dass er nicht
länger irgendwo am Rand, am Wegrand sitzen und von Almosen leben muss, sondern sein Leben selbst in die Hand nehmen kann. Rückkehr ins Leben also.

Ich muss aber gestehen, dass mich an dieser Heilungsgeschichte noch ein anderes Wunder viel mehr
interessiert. Es ist ein Wunder, das an diesen Menschen geschieht, die da mit Jesus unterwegs sind.

Aus dem Kontext können wir herauslesen, dass es Pilger sind; Wallfahrer, die nach Jerusalem zum Tempel wollen, zum Allerheiligsten; und Jesus, der Rabbi, ist mitten unter ihnen.
Und dann kommt es zu dieser Störung. Da fängt einer an zu schreien: „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!“

 
Liebe Schwestern und Brüder,

da schreit einer so laut und penetrant, dass er stört. Er stört die Andacht und die Freude. Er stört diese Leute, die wohl ganz und gar mit diesem Jesus beschäftigt sind und die dafür ihre
Ruhe haben wollen.

Kein Wunder, dass sie ärgerlich sind und ihm befehlen, doch endlich den Mund zu halten.

Nur einer nicht: Jesus. Er lässt sich nicht stören vom Geschrei, sondern er wird hellhörig. Und er nimmt den, der für die anderen nur eine Randfigur ist, in den Blick. »Ruft ihn her!« so sagt Jesus - und das heißt wohl: Holt ihn weg vom Strassenrand - und stellt ihn mal in die Mitte.

Und dann schlägt die Stimmung auf einmal um – und es
geschieht jenes andere Wunder:

Dieselben Menschen, die Bartimäus vorher den Mund verbieten wollten, die rufen ihn nun herbei.
Dieselben Leute, die ihn vorher abdrängen und ruhigstellen wollten, die machen ihm nun Mut: „Hab Mut. Steh auf. Er ruft dich!“ – so sagen sie jetzt zu ihm.

Spüren Sie, worin das Wunder besteht? Aus Menschen, die beinahe das Heil des Bartimäus verhindert hätten, weil sie sich gestört fühlten, werden auf einmal Menschen, die mithelfen, dass Bartimäus gesund wird.
Aus Menschen, die vorher den Bartimäus mundtot machen wollten, werden auf einmal Mutmacher.
Aus Menschen, die vorher nur einen Blick für Jesus hatten und ihre Ruhe haben wollten, werden Menschen, die von Jesus lernen, sich sehr wohl stören zu lassen – um dann auch auf die Menschen zu schauen, die an den Rand geraten sind.

Oder um es überspitzt zu formulieren: Aus einer „frommen“, in sich versunkenen Kirche wird auf einmal eine missionarische Kirche. Eine Kirche, die um sich schaut und die Menschen am Rande wahrnimmt; eine Kirche, die das Heil zu den Menschen hinträgt, die heil-los sind. Eine Kirche, die sich auf die Seite
derer stellt, denen dieser Anteil am Leben genommen wird – und die sich für sie stark macht.

Ein solches Wunder kann nur geschehen, wenn sich in den Köpfen der Menschen etwas verändert: Wenn sie umdenken und von Jesus lernen, wenn sie seine Seelsorge lernen. Und die besteht darin, dafür zu sorgen, dass kein Mensch an den Rand gerät. Dass jeder Anteil haben soll am Leben.
Aber wer an den Rand geraten ist, der hat das Recht, nach Recht und Gerechtigkeit zu schreien.
Und dann, liebe Schwestern und Brüder, dann darf es keine Frömmigkeit geben, die sich davon gestört fühlen würde. Keine, die sagen würde: Pssst! Das darf man nicht! Hier bei Gott, da muss man still sein!
Im Gegenteil: Je „frömmer“ ein Mensch ist, je mehr er auf Gott bezogen ist, umso aufmerksamer muss er sein, die Not der Menschen wahrzunehmen.
Frömmigkeit darf nicht daran hindern, sich mit den Menschen und dieser Welt zu beschäftigen, sondern wirkliche Frömmigkeit muss darauf hinzielen, den Menschen und die Welt in den Blick zu nehmen – um an ihrem Heil mitzuwirken.

Es ist sicher eine gute Fügung, dass wir den Sonntag der Weltmission an diesem Sonntag mit diesem Evangelium begehen.
Das schließt uns vielleicht auf für ein neues Verständnis von Weltmission.
Mission als Anliegen unserer Kirche heißt heute nicht, die Menschen irgendwie ein bisschen frömmer zu machen, sondern –wie Prof. Zulehner das einmal formuliert hat- die Frommen ein menschlicher zu machen.

Mission will nicht einen Glauben und auch keine Frömmigkeit, die wegschaut von den Menschen, um nur noch Gott in den Blick zu nehmen, sondern Mission heißt: sich im Glauben von Gott die Augen öffnen zu lassen für die Menschen, für deren Not und Sorgen – um dann –wie Jesus in dieser Geschichte einzutreten für das Glück und das Heil derer, die da an den Rand geraten sind – damit sie Teil haben am Leben und Gott als einen Freund des Lebens erfahren können.

Hab Mut, steh auf, er ruft dich! Ich denke, das ist Frohe Botschaft, die uns allen gilt; die Botschaft vom Leben gegen alle Resignation, die zum Tod führt, zum Tod schon mitten im Leben.

Es ist die Botschaft, die uns als Kirche und als Gemeinden anvertraut ist und mit der der Herr uns an alle Wegränder, Hecken und Zäune schickt, damit keiner mehr im Dunkel und im Todesschatten sitzen bleibt muss - nur weil wir ihm sagen: Sei still, du störst uns, wir wollen Jesus hören.

Denn nur wer auch den Mensch hört --- hört Jesus - und damit Gott,
denn Gott ist Mensch geworden – damals in Betlehem und
heute hier bei uns und überall in der Welt.

Amen

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